Justizministerin Zadić hat mit einigen Affären im eigenen Haus zu kämpfen.

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Redebedarf gab und gibt es in der Justiz offenbar viel. Ausführlich unterhielten sich zum Beispiel Linda Poppenwimmer, damals Staatsanwältin in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), und Johann Fuchs, ihr Vorgesetzter von der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien. Die Juristin berichtete dem Leiter der OStA Wien haarklein von Stimmungslagen, Gerüchten, aber auch von neuen Entwicklungen in diversen Causen. Zudem schickte sie ihm Fotos von handschriftlichen Vermerken ihrer Kolleginnen und Kollegen sowie von deren Kalendereinträgen zu Besprechungen. Das wurde jüngst aus Chats bekannt; Poppenwimmer war da freilich in die Rechtsanwaltskanzlei Ainedter & Ainedter gewechselt.

Ihre Schreibfreude hat in der Justiz für viel Aufsehen gesorgt – umso mehr, als sie ihren Wechsel in die Anwaltei wortreich in einer Presseaussendung begründete. Die Rede war da von "einem vergifteten und von Freund-Feind-Denken bestimmten Klima" in der Justiz, der sie nicht mehr "dienen" könne.

Ihr schriftlicher Mitteilungsdrang könnte freilich noch unliebsame Folgen zeitigen. Kritik am Arbeitgeber zu üben sei in Österreich grundsätzlich erlaubt, betont eine Sprecherin des Justizministeriums: "Ob anlässlich der unlängst medial bekanntgewordenen Sachverhalte Disziplinarverfahren einzuleiten sind, wird derzeit im BMJ geprüft." Dienstrechtliche Konsequenzen drohen deshalb, weil Poppenwimmer von der Justiz für ein Jahr karenziert wurde. Sie hat also quasi ein Rückkehrrecht. Aber, so das Ministerium: "Selbst ein Disziplinarverfahren könnte nicht die Folge haben, dass eine bereits rechtskräftige Karenzierung hinfällig wäre."

Konsequenzen forderte jedenfalls der Dienststellenausschuss – also gewissermaßen der "Betriebsrat" – der WKStA. In einem offenen Brief wurde Justizministerin Alma Zadić (Grüne) aufgefordert, die "vollständige, objektive und transparente Aufarbeitung der Vorgänge der letzten Jahre in der Dienst- und Fachaufsicht über die WKStA" zu ermöglichen. Betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Einsicht in Chat-Verläufe und Dokumente erhalten; außerdem sollen sie vor unsachlichen Angriffen jedweder Art stärker geschützt werden. Die publik gewordenen Vorgänge – neben dem Fall Poppenwimmer etwa die durch den damaligen Sektionschef Christian Pilnacek angeregte Observation eines WKStA-Mitarbeiters – überschritten "eine weitere Grenze und können nicht bloß hingenommen werden", heißt es in dem offenen Brief.

Zadić traf Aicher

Viel zu besprechen hatten auch Zadić und die Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher, die übrigens mit Poppenwimmer befreundet ist. Aicher hatte sich von der Kanzlei Ainedter, die Beschuldigte in dem von ihr kritisierten Verfahren vertritt, beim Verfassen einer Presseaussendung helfen lassen. In dieser hat sie die WKStA scharf attackiert. Sie warf der Behörde vor, in ihren Ermittlungen gegen die Zeitungsbrüder Fellner "rote Linien" überschritten zu haben.

Das trug ihr einen Gesprächstermin mit der Ministerin ein, den Aicher nach längerer Verzögerung dann diesen Dienstag wahrgenommen hat. Zadić habe die Rechtsschutzbeauftragte wissen lassen, "dass die Unabhängigkeit der Justiz immer gewahrt und nach außen sichtbar" sein müsse, sagt eine Sprecherin über den Gesprächsinhalt. Aicher ist am 1. April 2020 für die Dauer von drei Jahren bestellt worden. (Renate Graber, Oliver Das Gupta, Fabian Schmid, 17.2.2022)