Der frühere Chief Operating Officer (COO) von Wirecard, Jan Marsalek, wird international gesucht. Er unterhielt gute Kontakte zu einstigen BVT-Beamten.

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In der Villa in der Münchner Prinzregentenstraße 61 dürfte es mitunter recht lebhaft zugegangen sein: Ein und aus gingen nicht nur ehemalige Staatschefs, sondern auch (ehemalige) Nachrichtendienstler, Detektive und andere Glücksritter. Als Hausherr in der Luxusresidenz gab sich kein Geringerer als Jan Marsalek, damals im Vorstand des Finanzdienstleisters Wirecard AG. Der legte einerseits viel Wert auf Diskretion, andererseits ließ er diese zumindest ab und zu vermissen: Auf Marsaleks Schreibtisch sei ein Batzen Geld gelegen, wie der österreichische Detektiv P. der Staatsanwaltschaft Wien in seiner Aussage erzählte. Er habe das "unprofessionell" gefunden, berichtete der Mann über einen beruflichen Besuch in der Villa in München.

Was er dort getan hat? Er war zum "Room Sweep" einbestellt worden, also zum Prüfen der Immobilie auf etwaige Spionagegeräte wie Kameras oder Wanzen. Ursprünglich hätte er auch einen abhörsicheren Raum planen sollen, daraus sei aber nichts geworden. Nichts geworden ist es auch mit dem versprochenen Honorar – und das trotz des Batzen Geldes auf Marsaleks Schreibtisch.

Private Informationsbeschaffer

An diesen diskreten Auftrag war der Detektiv über Martin W., einen ehemaligen Abteilungsleiter des Bundesamts für Verfassungsschutz (BVT), gekommen. Der arbeitete schon länger mit Marsalek zusammen und war bei dessen IMS Capital engagiert gewesen. Inwiefern diese mit Wirecard zusammenhängt, ist derzeit Gegenstand umfassender Ermittlungen in München. Die IMS dürfte jedenfalls ein Vehikel für eher dubiose Projekte Marsaleks gewesen sein.

Darauf deuten die Aufträge hin, die W. an den erwähnten Detektiv, aber auch an ehemalige Verfassungsschützer verteilt haben soll. In erster Linie ging es darum, "Recherchen" zu diversen Personen durchzuführen. Etliche der "Zielobjekte" hatten Verbindungen nach Russland – das von der Villa in der Prinzregentenstraße aus gesehen auf der anderen Straßenseite liegt. Dort hat das russische Konsulat seinen Sitz. Auch zum Sohn des Konsuls hatte die IMS Geschäftsbeziehungen.

Ein Verfahren wegen Spionage für Russland hat jedenfalls seit 2017 einer der Auftragnehmer der IMS am Hals: der einstige Verfassungsschützer Egisto Ott aus Wien. Er schied damals aus dem BVT aus, wurde in die Sicherheitsakademie versetzt und verschaffte sich offenbar fortan ein Zubrot als privater Informationsbeschaffer. Als solcher nannte er sich "Giovanni Parmigiano", wie Detektiv P. den Ermittlern verriet.

In Otts Handy fanden die Ermittler die Fotos von hunderten Pässen sowie Profile über "Zielpersonen". Die Staatsanwaltschaft Wien wirft ihm vor, für deren Erstellung widerrechtlich auf Datenbanken des Innenministeriums zurückgegriffen zu haben, wie zuerst "Die Presse" berichtete. Außerdem soll er sich gegenüber ausländischen Behörden weiterhin als Verfassungsschützer ausgegeben haben. Ott bestreitet das. Er sieht sich als Opfer einer großangelegten Intrige, und es gilt die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft vermutet finanzielle Motive hinter Otts Aktivitäten.

Griff in die Hydrokultur

Bei Ott und dem genannten Roomsweeper P. laufen auch ganz andere Fäden zusammen, die die Republik zuletzt in Atem gehalten haben. Als die Ermittler bei P. zur Hausdurchsuchung kamen, machte dieser zunächst einen Griff in die Hydrokultur. Dort hatte er jenen USB-Stick versteckt, auf dem die Daten dreier Handys gespeichert waren: darunter eines vom ehemaligen Kabinettschef im Innenministerium, Michael Kloibmüller. Diese "Lebensversicherung", wie sie ein Beschuldigter in einem Chat nannte, hatte der Detektiv laut seinen Angaben von Ott bekommen. Dieser ging ihm aber zusehends "auf den Arsch", sagte P. aus, der sich gegenüber den Ermittlern sehr kooperativ zeigt.

Warum er den Stick, auf dem Tausende von Chats gespeichert sind, überhaupt erhalten hat? "Mein Auftrag in der Sache war, dass ich meine Israeli-Kontakte aktiviere, dass sie die Daten auf dem Stick weiterverarbeiten bzw. die Handys vollständig auswerten und lesbar machen. Dafür sollte ich auch bezahlt werden", erzählte P. Er hatte offenbar nicht viel Glück mit seinen Auftraggebern: Das Geld für den israelischen Spezialisten ließ sich nicht aufstellen, weswegen auch er um sein Honorar umfiel. (Renate Graber, Fabian Schmid, 17.2.2022)