Die neue Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hört in Arbeitsrunden Branchenvertreter zu Medienförderungen und Medientransparenz.

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Wien – Wo sehen die Medienbranche, Sozialpartner, Expertinnen und Experten künftig die unterschiedlichen formellen Medienförderungen des Bundes und die – teils auch als Förderung eingesetzten – Werbeausgaben öffentlicher Stellen? Die Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) startete diese Woche ihre "Medienkonferenzen" für den von ihr und Regierungspartner Grüne ausgerufenen "Neustart" in diesem Feld.

Transparente Kriterien für öffentliche Buchungen

Der Donnerstag war als großer Auftakt mit Branchenvertreterinnen und Branchenvertretern in mehreren Runden angelegt, etwa für Medienhäuser mit Verlagsschwerpunkt und solche mit Rundfunkfokus. Der ORF und seine lange schon geforderte Digitalnovelle waren eigentlich erklärtermaßen nicht Thema – kam aber schließlich doch auch aufs Tapet.

Raab hat in ihrer Antrittspressekonferenz betont: Schaltungen von öffentlichen Stellen wie Ministerien, Ländern, Gemeinden und öffentlichen Institutionen und Firmen sollten nicht als Medienförderungen eingesetzt werden. Wie sieht das die Medienbranche, wollte sie am Donnerstag von deren Vertreterinnen und Vertretern etwa wissen und erntete laut Sitzungsteilnehmern breite Zustimmung in mehreren Runden, dass Werbebuchungen nicht als Förderung zu sehen seien.

Deklariert mehrheitsfähig schien auch, dass die Bagatellgrenze für die Meldung von öffentliche Werbebuchungen (derzeit 5.000 Euro pro Quartal und Medium) gegenüber der Medienbehörde fallen könnte. Gegen mehr Transparenz für den Bereich wollte sich naturgemäß niemand aussprechen – es gehe um eine transparente Vergabe der öffentlichen Mittel, betonten laut Sitzungsteilnehmern viele in den Runden.

Erwartungsgemäß nicht Common Sense unter verlegerischen Medienhäusern war Kritik an bisherigen Buchungsschwerpunkten bei ostösterreichischen Boulevardmedien, wie sie etwa die Studie "Scheinbar transparent II" des Medienhauses Wien (mitfinanziert von Regional- und Qualitätszeitungen) aufzeigte.

Digitale Riesen

Sehr einheitlich – ablehnend – wird die Position von Branchenvertretern zu öffentlichen Werbebuchungen bei Social Media beschrieben. Rechtlich, sagen Experten, wäre das nicht einfach umsetzbar.

Offenbar für den raschen rechtlichen Reality-Check nahm der Leiter der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, an einigen Runden teil, ebenso andere Juristen wie der Leiter der Medienbehörde KommAustria, Michael Ogris, und jener des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, Albert Posch.

Ein Lösungsvorschlag, um Social Media von öffentlicher Werbebuchung auszunehmen, kam von den Privatsendern, die laut mehreren Quellen als Bedingung für Buchungen eine redaktionelle Verantwortung für Inhalte vorschlugen. Andernfalls würden österreichische oder insgesamt redaktionelle Medien gegenüber den Plattformen benachteiligt, die diesen Aufwand nicht oder in deutlich geringerem Umfang hätten, wurde offenbar argumentiert.

Gerade öffentliche Stellen müssten das Umfeld ihrer Buchungen im Auge behalten, wurde in den Medienkonferenzen argumentiert. Eine reine Fokussierung auf Schaltkosten ohne diesen Faktor würde die Bewertung und Planung zugunsten von Google und Facebook verzerren.

97 Prozent der Bevölkerung könnten ohne Einsatz von Social Media erreicht werden – auch diese Berechnung kam aus dem Kreis der Privatsender, hieß es aus einer der Runden.

Medienförderungen

Eine Zusammenlegung und Vereinheitlichung der bestehenden Medienförderungen von Presseförderung bis Privatrundfunkförderung (Überblick unten) soll in den Branchenrunden auf einhellige Skepsis gestoßen sein. Die Presseförderung in bisheriger Form bestand schon vor dem EU-Beitritt und wurde als sogenannte alte Beihilfe von der EU akzeptiert. Neue Beihilfen und gravierende Veränderungen müssen von den EU-Wettbewerbsbehörden geprüft und bestätigt werden – bei der heuer startenden Digitaltransformationsförderung gab es 2021 noch einige inzwischen ausgeräumte Einwände aus Brüssel.

Eine Erhöhung der Förderungen war ebenfalls – nicht ganz überraschend – einhelliger Wunsch.

Thema zudem bei den Runden im Kanzleramt: Medienförderung mit Fokus auf journalistische Arbeit statt auf einzelne Mediengattungen oder ihres Vertriebs – zuletzt wurde bei der Sonderpresseförderung 2020 nach gedruckter Auflage gefördert.

Sitzungsteilnehmer verwiesen auf Fördermodelle in Skandinavien, wo Förderungen etwa mit Erleichterungen bei Personalnebenkosten für Journalistinnen und Journalisten nach dem Journalismus-Kollektivvertrag kombiniert würden.

Steuererleichterungen

Eine langjährige Forderung insbesondere des Zeitungsverbands VÖZ zur Medienförderung kam auch am Donnerstag im Bundeskanzleramt zur Sprache: Eine Reduzierung oder Kürzung der Mehrwertsteuer würde Kaufzeitungen, -magazine und digitale Kaufangebote unterstützen. Ebenfalls eine langjährige Forderung der Medienbranche: Abschaffung der Werbeabgabe (für Buchungen in klassischen Medien).

Zeitungsverbandspräsident und Styria-Vorstandschef Markus Mair ("Kleine Zeitung", "Die Presse"), soll laut Sitzungsteilnehmern auch für Qualitätskriterien für Medienförderungen plädiert haben – redaktionsinterne Mechanismen zur Kontrolle und Qualitätssicherung etwa.

Arbeitsgruppe ORF

Wenn Privatsendermanager wie Markus Breitenecker und Niki Fellner auf ORF-Chef Roland Weißmann treffen, dann kommen sie auch bei Medienförderthemen nicht um ihre klassischen Themen herum. Fellner (Oe24) soll wieder das Thema "Archivöffnung" des ORF aufs Tapet gebracht haben. ORF-Chef Weißmann hat laut Sitzungsteilnehmern eine Arbeitsgruppe dazu zugesagt haben. Problem daran: Die Rechte an wesentlichen Teilen den ORF-Archivbeständen sind nicht geklärt – und das Material selbst für den ORF nicht immer so einfach verwendbar.

Da könnte es um mehr Content-Austausch gehen, womöglich auch um die Präsenz von Privatsender-Inhalten auf einer Streamingplattform des ORF gehen. Oder um gemeinsame Werbevermarktung – die das ORF-Gesetz dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bisher untersagt.

Das ORF-Gesetz soll nach den bisherigen Ankündigungen des Medienministeriums nach den Runden über Medienförderungen und öffentliche Buchungen auf die Agenda kommen.

Ministerin Raab soll betont haben, sie behandle die Themen Medienförderungen und Medientransparenz in einem ersten Schritt gesondert. Ihr sei aber bewusst, dass diese Themen und der ORF bei medienpolitischen Maßnahmen als Gesamtbild zu betrachten seien – und werde das auch tun.

Bis Ende März sind weitere Runden etwa mit Podcast-Anbietern, Medienplattformen, Straßenzeitungen und Expertinnen und Experten geplant, zuletzt wieder Runden mit den Branchenvertreterinnen und -vertretern. (fid, 18.2.2022)