Karin Kreutzer fordert mehr Aufmerksamkeit für Start-ups. Sie sieht in den jungen Firmen, die Leitbetriebe der Zukunft.

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Wien – Erstmalig gibt es beim Business Angel Day auch die Auszeichnung "Investorin des Jahres". Die Auszeichnung ging an Karin Kreutzer, die auch in Firmen investiert, deren Geschäftsmodell für sie Neuland ist.

STANDARD: Schleppend, aber doch steigt die Zahl von Gründerinnen und Investorinnen, warum gibt es nicht mehr Frauen in der Start-up-Szene?

Kreutzer: Das hat viel mit Klischees zu tun, die Frauen immer noch zugeschrieben werden – von Männern und Frauen. Kein Risiko eingehen, keine Fehler machen, ja nicht scheitern. Solche Dinge werden Männern leichter verziehen, aber das Schief-angeschaut-Werden, wenn etwas nicht klappt, muss aufhören. Wenn man in Start-ups investiert, ist die Wahrscheinlichkeit natürlich hoch, dass man auch Geld verliert, es ist ein Hochrisikobereich. Deshalb sollte man nie nur in ein Start-up investieren, sondern in mehrere.

STANDARD: Gilt "Scheitern verboten" nicht für alle in der Branche?

Kreutzer: Das nehme ich nicht so wahr, aber die Szene wird immer noch als etwas Kleines, Exotisches gesehen. Die Bedeutung von Start-ups nimmt volkswirtschaftlich immer mehr zu, sie werden zu einem großen Teil die Leitbetriebe der Zukunft sein. Deswegen müssen sie mehr ins Rampenlicht.

STANDARD: Was stellen Sie sich vor?

Kreutzer: Die Serie Big Bang Theory hat die Physik richtig populär gemacht, so etwas braucht auch der Start-up-Investmentbereich. Mit Entertainment ließe sich viel bewegen, der Zugang wäre lockerer. Die Unterschiede und Persönlichkeiten wären leichter zu beleuchten. Oft ist es wichtiger, etwas einfach mal anzugehen, anstatt sich vorweg großartig in der Materie auszukennen.

STANDARD: Investieren Sie nach diesem Motto?

Kreutzer: Kommt vor. Wir (Aubmes Invest, Anm.) sind Ende 2016 bei Bitpanda eingestiegen, von Kryptowährungen hatte ich damals so gut wie keine Ahnung. Das hat sich ausgezahlt. Auch bei Quantencomputern kenne ich mich nicht aus, habe aber in einen Fonds investiert.

STANDARD: Sehr beliebt ist so ein Risiko in Österreich nicht. Nicht jeder kann viel Geld in ein Start-up stecken.

Kreutzer: Da geht es um viel mehr. Es freut mich, dass die Aus- und Weiterbildung im Anlage- und Finanzbereich an Popularität gewinnt. Man muss sich nicht extrem gut auskennen, um in etwas anderes als ein Sparbuch zu investieren. Das wird oft falsch vermittelt. Bei Jüngeren sieht es anders aus, aber in meiner Generation glauben viele, man braucht eine Ausbildung, um Geld zu investieren. Hört man immer nur Expertinnen und Experten sprechen, kann das einschüchternd wirken. Man muss zum Anlegen kein Experte sein, man lernt sehr viel dabei, es einfach zu probieren.

STANDARD: Worauf liegt Ihr Fokus beim Investieren?

Kreutzer: Vielfalt und Diversität ist wichtig. Ein Hauptaugenmerk liegt auf Digitalisierung und künstlicher Intelligenz in unterschiedlichen Branchen.

STANDARD: Wie viele Gründerinnen haben Sie in Ihrem Portfolio?

Kreutzer: Wir haben bereits in Unternehmen mit Gründerinnen investiert, die gibt es leider nicht mehr. Bei jenen Firmen, an denen wir direkt beteiligt sind, ist momentan keine Gründerin dabei. Deswegen wollen wir heuer verstärkt Start-ups mit einem diversen Gründerteam unterstützen. Ich bin aber auch am Fonds Calm/Storm Ventures beteiligt, der im Bereich Digital Health aktiv ist, und bin dort auch Beiratsmitglied. Calm/Storm hat schon in viele Start-ups mit Gründerinnen investiert.

STANDARD: Österreich bekommt immer mehr Aufmerksamkeit von Risikokapitalfirmen aus den USA und Asien. Dieses Kapital gibt es hierzulande nicht. Wird es für heimische Investoren schwerer, mitzuhalten?

Kreutzer: Angel-Investoren gibt es viele, aber immer noch nicht genug. In der Frühphase sehe ich trotzdem noch kein großes Problem. Für Folgefinanzierungen wäre es schon sehr wichtig, dass Europa auch in Zukunft mithalten kann, vor allem, um den Wohlstand zu erhalten.

STANDARD: Verschläft Europa den Trend?

Kreutzer: Bei einem Seminar an der Cambridge Business School habe ich gelernt, dass die größte Gefahr für erfolgreiche Firmen ist, zu arrogant und ignorant für Innovation zu sein. Diese Sorge teile ich durchaus auch für unser Land und unseren Kontinent, weil man sich zu sehr auf der Vergangenheit ausrastet. (Andreas Danzer, 18.2.2022)