In einigen Spitälern ist die Impfpflicht bereits Realität – allerdings nur bei Neuanstellungen.

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Kommt die allgemeine Impfpflicht, oder kommt sie nicht? Eigentlich wurde sie gerade erst mit breiter Mehrheit im Nationalrat beschlossen, höchst umstritten ist sie dennoch – auch politisch. Derzeit kann oder will in der Regierung niemand die Frage beantworten, ob das Impfpflichtgesetz jemals vollzogen wird – ob Ungeimpfte also irgendwann auch mit Strafen rechnen müssen. Ist die Impfpflicht also noch vor ihrer richtigen Einführung passé? Was würde das bedeuten?

Das Impfpflichtgesetz sah immer vor, dass eine eigene Kommission entscheiden soll, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Umsetzung der Impfpflicht noch gegeben sind. Wenn sich Umstände ändern – zum Beispiel, weil die dominierende Virusvariante nicht mehr so gefährlich ist –, soll die Kommission das entsprechend berücksichtigen und Änderungen ableiten.

Am Donnerstag hat sich das Gremium nun konstituiert. Wie gesetzlich vorgesehen, besteht es aus vier Expertinnen und Experten. Konkret setzt sich die Kommission aus dem Staatsrechtler Karl Stöger und der Zivilrechtsprofessorin Christiane Wendehorst sowie der Epidemiologin Eva Schernhammer und dem Infektiologen Herwig Kollaritsch, der auch Mitglied des Nationalen Impfgremiums ist, zusammen. Sie sollen ihre Arbeit sofort aufnehmen und bis 8. März einen Bericht vorlegen. Ab Mitte März würden Ungeimpfte gemäß aktuellem Plan bestraft, wenn sie in eine Kontrolle geraten. Ob die Impfpflicht jemals flächendeckend vollstreckt wird, war von Beginn an unklar.

Schon jetzt gibt es Expertinnen und Experten, die die Impfpflicht infrage stellten. Der Epidemiologe Gerald Gartlehner argumentierte etwa, die Situation sei aufgrund der Omikron-Welle heute "ganz anders" als im Jänner, als die Impfpflicht beschlossen wurde.

Alle oder keiner?

Sollte die allgemeine Impfpflicht nun doch nie Realität werden, stellt sich aber die Frage, was das für einzelne Bereiche bedeutet. Vereinfacht gesprochen: Wenn sich nicht alle impfen müssen, muss es dann niemand mehr? Oder wäre dann zum Beispiel eine partielle Impfpflicht für den Gesundheitsbereich – wie sie in Frankreich, Italien und Griechenland besteht – oder für Pädagoginnen denkbar?

Vorstellbar wäre tatsächlich, dass die Gefahr einer Corona-Erkrankung für das Gros der Bevölkerung nicht mehr ausreicht, um eine Impfpflicht zu begründen. Für vulnerable Gruppen könnte eine harmlosere Virusvariante jedoch weiterhin eine große Gefahr darstellen – zum Beispiel für Patienten in Spitälern, Pflegebedürftige oder Kinder, die sich noch nicht impfen lassen können.

Auf politischer Seite hält man sich bedeckt: "Dazu ist aus heutiger Sicht noch keine Einschätzung möglich", heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Die Kommission könnte nun aber Denkanstöße oder Empfehlungen liefern, ob die Impfpflicht nur für bestimmte Gruppen eingeführt werden sollte.

"Eine Verpflichtung für bestimmte Berufsgruppen könnte man natürlich gesetzlich regeln", sagte der Medizinjurist Karl Stöger zum STANDARD – kurz vor seiner Nominierung in die Kommission. "Das hätte den Vorteil, dass man das Bestandspersonal leichter erfassen kann." Ansonsten müsse der Arbeitgeber prüfen, ob jemand in einem anderen Bereich einsetzbar wäre.

Neben Gesundheitsberufen könnten zum Beispiel auch Kindergartenpädagoginnen zur Impfung verpflichtet werden – dafür bräuchte es aber jedenfalls eine Gesetzesänderung. "Man muss medizinisch bewerten, welches Gefährdungspotenzial es für die jeweilige Gruppe gibt", sagt Stöger. "Generell wäre eine partielle Impfpflicht in Bereichen denkbar, wo Menschen in größerer Anzahl eng zusammenarbeiten." Auch der Jurist Bußjäger hält eine Impfpflicht für jene, die mit vulnerablen Gruppen zu tun haben – also zum Beispiel Pädagogen – für verfassungskonform.

Pflichten in Spitälern

Für den Gesundheitsbereich könnte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) eine Impfverpflichtung relativ schnell veranlassen: Immerhin gab es bereits Ende 2021 einen entsprechenden Gesetzesentwurf. Darin war von Ärztinnen, Hebammen, Krankenpflegern, Sanitätern und Sozialbetreuungsberufen die Rede. Die Idee ging dann aber im Gesetz für die allgemeine Impfpflicht auf, es wurde keine eigene Regelung geschaffen. Noch schneller ließe sich eine partielle Impfpflicht mit einer Verordnung umsetzen, die sich auf das bereits geltende Epidemiegesetz stützt. Dann müsste der Personenkreis allerdings auf Gesundheitsberufe im engeren Sinn eingeschränkt werden. Auch Landeshauptleute könnten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn es der Bund nicht tut, erklärt der Verfassungsjurist Peter Bußjäger.

In manchen Arbeitsstätten gilt schon jetzt eine Impfpflicht – zum Beispiel in einigen Spitälern; allerdings nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die neu angestellt werden. Im Wiener Gesundheitsverbund wurde die Impfpflicht bei Neuanstellungen bereits umgesetzt. Neben Corona wird dort auch ein Impfnachweis für andere Krankheiten verlangt – etwa Masern oder Röteln. Laut Auskunft des Büros von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) beträgt die Corona-Impfquote der Wiener Ärzteschaft 95 Prozent, im Pflegebereich immerhin 80 Prozent. Ungeimpfte würden verstärkt dort eingesetzt, wo kein Patientenkontakt bestehe.

Auch in Niederösterreich werden seit September nur noch Personen in den Landesdienst aufgenommen, die gegen Covid-19 vollimmunisiert sind. Das umfasst auch Lehrerinnen und Lehrer. Seither konnten freigewordene Stellen "zu jeder Zeit problemlos" besetzt werden, heißt es vonseiten der Landesregierung.

Kanzler: "Ich bin überrascht, dass das jetzt alle überrascht"

Wird die Impfpflicht aber noch so kommen, dass ab 16. März Ungeimpfte gestraft werden? "Ich bin als Regierungschef dafür, dass wir Gesetze so lesen, wie wir sie im Nationalrat beschlossen haben", sagte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) dazu im Ö1-"Morgenjournal", blieb aber eine direkte Antwort auf die Frage schuldig. Stattdessen erkläre er Grundsätzliches. Aus Sicht des türkisen Politikers herrsche hier in der Öffentlichkeit ein offensichtlicher Wissensmangel. Das Gesetz zur Impfpflicht sei so konstruiert, dass man laufend auf neue Pandemiesituationen reagieren könne. "Das muss auch so sein, weil die Impfpflicht ein doch großer Eingriff ist, da wird immer die Verfassungsmäßigkeit geprüft, also ist es noch in der Verhältnismäßigkeit, und die Gesundheitsexpertinnen und -experten prüfen die Zweckmäßigkeit, ist das Impfen das geeignete Mittel." Das sei von Anfang an so festgelegt gewesen. "Ich bin überrascht, dass das jetzt alle überrascht, dass wir das tun, was im Gesetz steht", sagte Nehammer. (Vanessa Gaigg, Katharina Mittelstaedt, 18.2.2022)