Das Internet und Plattformen für Dienstleistungen verändern die Arbeitswelt gerade enorm: Die Bezahlung ist schlecht.


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Seit die Corona-Pandemie im Frühjahr 2022 voll zugeschlagen hat und das öffentliche und gesellschaftliche Leben oft auf ein Minimum lahmlegte, kennt man den Effekt. Viele Menschen mussten ihr Arbeitsleben gezwungenermaßen ins Homeoffice verlegen, per Internet erledigen.

Diese Dynamik der Digitalisierung diente noch stärker als je zuvor als Antreiber für neue berufliche Tätigkeiten und Plattformen, nicht nur beim Warenhandel oder bei boomenden Dienstleistungen wie Essens-, Paket- und Einkaufszustellungen.

Eine europäische Forschergruppe – eine Frau und zwei Männer – hat sich im Jahr 2021 im Auftrag des Europäischen Gewerkschaftsbundes (ETUC) und des Thinktanks Etui in einer breit angelegten Studie angesehen, wie sich Arbeit via Internet und Plattformen konkret auf die einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auswirkt.

Es geht um Löhne, soziale Sicherheit, Arbeitszeiten, darum, wie die Arbeit verrichtet wird, wie sich das in einzelnen Altersgruppen und nach Geschlechtern darstellt. DER STANDARD bekam Einblick.

Einkommen unter Armutsgrenze

Eindeutiges Ergebnis: Der Internetarbeitsmarkt ist davon gekennzeichnet, dass er "sehr niedrige Einkommen fördert", wie es in der Studie heißt. Oder: Müssten Menschen allein von dem leben, was sie durch Tätigkeit erwirtschaften, bei denen das Internet als Werkzeug im Spiel ist, lägen sie oft unter der Armutsgrenze.

Die "neue Jobwelt" eignet sich als Zusatzverdienst, aber nicht als Lebensgrundlage. Denn dieser Markt fördert typisch Selbstständigkeit, Einpersonenunternehmen (EPUs), die neben der geringen Entlohnung auch noch sozial schwach abgesichert sind. Man bietet seine Dienste frei an, verkauft Dinge, vermietet etwas.

Anders als bei klassischen Arbeitsverhältnissen erfolgt die Bezahlung nicht in einem geregelten Monatslohn, sondern nur stunden- oder tageweise. Dementsprechend hoch ist die Fluktuation.

Der durchschnittliche Plattformarbeiter verdient zwischen acht und 15 Euro die Stunde und arbeitet zehn Stunden die Woche im Zusatzjob. Die Studie wurde in 14 EU-Staaten durchgeführt, in Frankreich, Deutschland, Ungarn, der Slowakei, Griechenland und Spanien zum Beispiel, auch in Österreich, wo sich 1760 Personen beteiligten.

Das umfasst 84 Prozent aller Arbeitnehmerinnen in der Union. Befragt wurden Menschen im Alter zwischen 18 und 65. Sie sollten angeben, ob bzw. inwieweit sie binnen zwölf Monaten mithilfe des Internets oder auf Plattformen Geld verdienten.

Keine Unterschiede zwischen Ost- und Westeuropa

Bemerkenswert fanden die Fachleute, dass es am Grundbefund im Großen und Ganzen keine auffälligen Unterschiede zwischen ost- und westeuropäischen Ländern gab. Rechnet man die Zahlen hoch, dann liegt der Internetarbeitsmarkt in der EU bei einem Anteil von mehr als 20 Prozent.

Das heißt, bereits rund 50 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger schaffen sich Einkommen im Netz. Tendenz: stark steigend. Aber nur eine von hundert kann von einem Job bei einer Plattform leben.

In der Slowakei spielt Internetarbeit eine vergleichsweise größere Rolle, in Ungarn eine kleinere. Österreich liegt im Mittelfeld.

71,9 Prozent der befragten Österreicherinnen und Österreicher gaben an, noch nie versucht zu haben, über das Internet bezahlte Arbeit zu verrichten, 17,1 Prozent hingegen schon. Der Anteil der Tätigkeiten auf professionellen Plattformen liegt bei sechs Prozent, reicht aber selten fürs alleinige Auskommen.

Vermehrt Jüngere arbeiten im Netz

Auffällig ist, dass es kaum Geschlechterunterschiede gibt, die Bedeutung des Internets beim Geldverdienen ist bei Frauen und Männern beinahe gleich groß. Größer werden die Unterschiede in Österreich nach dem Grad der Bildung, dem Geburtsland und dem Alter. Je jünger, desto wichtiger wird das Netz beim Arbeiten, erst ab Mitte 40 nimmt der Anteil ab.

Menschen, die im Ausland geboren sind, sind überdurchschnittlich vertreten. In der Altersgruppe unter 24 gab nur jeder Zehnte an, noch nie eine (bezahlte) Arbeit im Internet gemacht zu haben. Mit steigender Bildung steigt auch der Anteil der Internetarbeit.

Das Internet und Plattformen für Dienstleistungen verändern die Arbeitswelt gerade enorm: Die Bezahlung ist schlecht. (Thomas Mayer, 18.02.2022)