Nach jahrelangem Tauziehen avisierte die Stadt Düsseldorf Ende April vergangenen Jahres die Rückgabe des Bildes Die Füchse von Franz Marc an die Erben eines von den Nazis verfolgten Bankiers. Bis zur Umsetzung sollten jedoch Monate vergehen.

35 Millionen Pfund oder umgerechnet 42 Millionen Euro soll Franz Marcs Gemälde "Die Füchse" (1913) zumindest einspielen. Dafür liegt laut Christie’s bereits eine Garantie vor.
Foto: Christie's

Eine Verzögerung, die dem Oberbürgermeister der nordrhein-westfälischen Metropole einen veritablen Rüffel samt Androhung juristischer Schritte von Ronald S. Lauder, dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, bescherte. Ob er als Sammler insgeheim mit einem Ankauf für sein vor 20 Jahren eröffnetes Privatmuseum liebäugelt, muss eine Mutmaßung bleiben.

Trophäenschau

Das Werk würde jedenfalls perfekt seinem Beuteschema entsprechen: Das belegt der Bestand seines vor 20 Jahren gegründeten Privatmuseums, der Neuen Galerie New York, und auch die dort aktuell (bis 13. 3.) laufende Ausstellung Modern Worlds: Austrian and German Art, 1890–1940. Max Beckmanns Selbstbildnis mit Horn (1938), das sich Lauder 2001 für umgerechnet etwas mehr als 25 Millionen Dollar aus dem Angebot bei Sotheby’s fischte, wird dort jetzt ebenso gezeigt wie Carl Molls Weißes Interieur (1905), für das er im Februar 2021 bei Freeman Fine Arts den Künstlerweltrekordpreis von fast vier Millionen Euro bewilligte.

Nicht zu vergessen Gustav Klimts güldenes Porträt Adele Bloch-Bauers von 1907, die wichtigste Trophäe, die Österreich Demut lehren sollte. Nach einem jahrelangen Disput entschied ein Schiedsgericht 2006 die Rückgabe an die Erbin Maria Altmann, die Nichte Adele Bloch-Bauers. Lauder erwarb das Gemälde für 135 Millionen Dollar über einen von Christie’s vermittelten Private Sale.

Gesicherter Auktionsrekord

Zurück zu Franz Marcs Füchsen, die am 11. Jänner an die Erben des jüdischen Bankiers Kurt Grawi übergeben wurden. Keine drei Wochen später kündigte Christie’s die Versteigerung des 1913 entstandenen Gemäldes am 1. März in London an.

Statt des zuletzt in Deutschland kolportierten Wertes von etwa 14 Millionen Euro liegen die Erwartungen jetzt beim Dreifachen: bei etwa 35 Millionen Pfund oder 42 Millionen Euro, für die eine "Third Party"-Garantie vorliegt, wie das Auktionshaus auf Anfrage bestätigt. Damit ist der Verkauf zu diesem Wert – einem neuen Auktionsrekord für den Künstler jedenfalls – gesichert. Läge das siegreiche Gebot darüber, dann bekäme der unbekannte Dritte seine Risikobereitschaft vom Auktionshaus mit einer Gebühr abgegolten.

Allerdings ist die Restitution, wie berichtet, in Fachkreisen nicht unumstritten. Es handelt sich um einen Präzedenzfall, denn es geht um sogenannte Fluchtkunst. In aller Kürze: Grawi wurde von den Nationalsozialisten verfolgt, war 1938 einige Wochen im KZ Sachsenhausen interniert und emigrierte 1939 nach Santiago de Chile.

Umstrittene Restitution

Das 1928 von ihm erworbene Marc-Gemälde gelangte über einen Freund nach New York, wo es im Frühjahr 1939 verkauft werden sollte. Verhandlungen mit dem Museum of Modern Art scheiterten: Der damalige Direktor bot 800 Dollar, Grawis Limit lag bei 1250 Dollar. Einige Monate später wechselte es im Herbst 1940 über Vermittlung des aus Berlin emigrierten Kunsthändlers Karl Nierendorf für einen unbekannten Betrag in den Besitz des deutsch-amerikanischen Regisseurs William Dieterle nach Los Angeles.

Das Gemälde war demnach nie Gegenstand einer Beschlagnahme oder anderweitiger Entziehung, sondern nach Grawis Flucht aus dem Deutschen Reich außerhalb des nationalsozialistischen Herrschaftsbereichs verkauft worden. Folgt man der in Europa bisher gängigen Entscheidungspraxis, dann wäre das kein Restitutionsfall.

Wie viel Dieterle bezahlte, ist unbekannt. Anfang der 1960er-Jahre entschied er sich für einen Verkauf und wandte sich dazu einerseits an eine Kunsthändlerin aus Liechtenstein und andererseits an das Schweizer Auktionshaus Klipstein & Kornfeld.

Spendenquittung für Horten

Im Juni 1962 vermeldete die FAZ den Besitzerwechsel des Bildes: Es sei für 250.000 Schweizer Franken vom Warenhauskonzern Merkur, der seit 1953 zum Imperium Helmut Hortens gehörte, erworben worden. "Als Jubiläumsgeschenk" sei es weiters dem Kaufhauskönig übergeben worden, um es einem deutschen Museum zu stiften. In weiterer Folge wanderten Die Füchse als Schenkung an die Stadt Düsseldorf.

Im Gegenzug hatte der Stifter eine auf die Helmut Horten GmbH lautende Spendenquittung erhalten, "da sie dort steuerlich aktiviert werden sollte". Das geht aus einem seit kurzem vorliegenden Gutachten hervor, das sich – wie berichtet im Auftrag der Milliardärin Heidi Goëss-Horten – mit dem "Vermögens- und Geschäftsaufbau" des in der NS-Zeit erfolgreichen Geschäftsmannes "im Kontext der ‚Arisierung‘ in der Zeit des ‚Dritten Reiches‘" befasst.

Über die Provenienz sei Horten "vermutlich nicht" informiert gewesen. Als beachtenswert erscheint den Gutachtern rückblickend der Zeitpunkt der Gabe. Demnach habe sich Horten damals "in intensiven und bereits einige Jahre währenden Auseinandersetzungen mit den Lastenausgleichsbehörden in Düsseldorf" befunden. "Es ist anzunehmen", dass er "mit der Schenkung Wohlwollen bekunden und erzeugen wollte", schlussfolgern die Autoren. (Olga Kronsteiner, 21.2.2022)