Der überaus beliebte Fußballklub in Hütteldorf sei seine "einzige Religion", bestätigt ein psychisch Kranker der Vorsitzenden des Geschworenengerichts, das über seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher entscheiden muss.

Foto: Heribert Corn

Wien – Herr B. ist zwar mit dem Vorwurf der nationalsozialistischen Wiederbetätigung vor einem Geschworenengericht unter Vorsitz von Nicole Bazcak, ist aber kein Angeklagter, sondern ein Betroffener. Denn seit mindestens 2003 leidet er an einer manisch-depressiven Erkrankung, die ihn 2016 zum "Zornmaniker" werden ließ, wie der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann in seinem Gutachten ausführt. Wegen der damaligen Sachbeschädigungen und gefährlichen Drohungen wurde gegen B. bereits eine bedingte Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ausgesprochen.

Nun geht es um 18 Delikte innerhalb weniger Monate 2016, bei denen B. sich im nationalsozialistischen Sinne geäußert haben soll. Wobei, wie auch Beisitzer Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgerichts, auffällt: Die Äußerungen waren ideologisch nicht immer ganz stringent. So soll der Betroffene einmal in der Lugner City gegenüber Polizisten die rechte Hand erhoben und "Sieg Heil – Israel" gebrüllt haben. Bei einer anderen Gelegenheit verkündete er, Mossad-Agent zu sein – und Juden zu töten.

Vielzahl an Tatorten

In den restlichen 17 angeklagten Punkte kommt der Nahoststaat nicht mehr vor. B. schrie mit und ohne erhobenen Arm "Sieg Heil" und "Heil Hitler" – auf der Straße, vor Kirchen, in Polizeiinspektionen und einem Gericht.

Vorsitzende Baczak interessiert sich für das Vorleben und Umfeld des Betroffenen. Einst war er Wertpapierhändler bei einer großen Bank, dann lebte er drei Jahre in Südostasien und lehrte Englisch. Seit er 15 Jahren alt war, nahm er Drogen – Cannabis, Ecstasy und Kokain. Seine großen Liebe gilt dem SK Rapid Wien, er ist Mitglied eines organisierten Fanclubs.

"Die sind unpolitisch", behauptet er, Beobachter der Fanszene sehen das anders und orten einen Hang nach rechts. Er sei aber auch damals kein Nationalsozialist gewesen, sondern pro Israel, argumentiert der Betroffene. "Aber die einzige Religion ist Rapid?", versichert sich Baczak. "Ja", bestätigt der eher wortkarge Betroffene.

Drohungen mit Phallusersatz

"Interessanterweise haben Sie die Äußerungen aber fast nur gegenüber Uniformierten getätigt", stellt Baczak fest. "Ich wollte eigentlich nur provozieren", entgegnet B. ruhig. Auf durchaus ungewöhnliche Art: So rief er einmal die Rettung zu sich nach Hause, sperrte die Sanitäter ein und bedrohte sie mit einem Dildo. Als die alarmierte Polizei klopfte, rief der Betroffene zunächst: "Keiner da!" – und bedrohte dann auch die Exekutivbeamten mit dem Phallusersatz.

Sachverständiger Hofmann attestiert B. eine "schwere psychotische Dauermanie" zum damaligen Zeitpunkt, er habe "eine Spur der Verwüstung durch Wien gezogen". Seit der bedingten Einweisung bekomme der Betroffene aber Depotspritzen und halte sich von Alkohol und Drogen fern, daher sei er nicht mehr auffällig geworden. Auch Verteidiger Franz Kienesberger hält fest, B. sei mittlerweile "ein älterer Mann, der gänzlich harmlos ist" und einst unter Alkohol- und Drogeneinfluss "dumme Sachen" von sich gegeben habe.

Psychiatrisches Problem des "Drehtür-Phänomens"

Experte Hofmann prangert in seiner Stellungnahme aber auch das "Drehtür-Phänomen" an: Sieben- oder achtmal sei B. damals stationär in ein psychiatrisches Krankenhaus gekommen, aber stets nach wenigen Tagen wieder entlassen worden. Beisitzer Forsthuber greift diesen Umstand dankend auf und plädiert in einem Koreferat für eine Änderung des Unterbringungsgesetzes. So sei eine bedingte Einweisung auch nur für die Dauer von fünf Jahren möglich, kritisiert der Gerichtspräsident. Was ein Grund sein könnte, warum die Vorwürfe erst sechs Jahre nach Begehung verhandelt werden.

Denn die Laienrichterinnen und -richter entscheiden sich einstimmig dafür, dass B. die Taten begangen hat, allerdings im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit. Es wird neuerlich eine auf fünf Jahre bedingte Einweisung ausgesprochen, zusätzlich erhält der Betroffene Bewährungshilfe und die Weisungen, seine Therapie fortzusetzen und durch regelmäßige Tests seine Abstinenz zu belegen. "Wir wünschen Ihnen viel Erfolg in den nächsten fünf Jahren!", gibt Vorsitzende Baczak dem Betroffenen noch mit auf den Weg. Er quittiert das mit "Mhm", ehe er den Saal verlässt. (Michael Möseneder, 18.2.2021)