Eher unpraktisch: zocken mit Baby auf dem Arm.

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Total War: Warhammer 3 ist ein Spiel, das zum Release diese Woche hervorragende Rezensionen gesammelt hat. Auch ich bin gleich am ersten Tag tief in die Welt der Monster und Dämonen eingetaucht – Armeen aufbauen, sie weiterentwickeln, Helden hochleveln, epische Schlachten schlagen ... das ist schon ein spannender Mix, dem ich nicht widerstehen kann. Allerdings lauert seit dem ersten Spieltag auch eine Angst in mir, die immer wieder an die Innenseite meines Kopfes klopft: Was ist, wenn ich nun ein paar Tage nicht spiele und beim nächsten Mal nicht mehr alle Regeln und Funktionen kenne?

Eine Kulturform der anderen Art

Denn Spiele unterscheiden sich von anderen Kulturformen wie Theaterstücken oder Filmen nicht nur dadurch, dass die Games-Branche deutlich mehr Umsatz macht – sie selbst werden auch anders konsumiert. So wird ein Kinofilm an einem einzigen Abend verdaut, während Gamerinnen und Gamer mit einem guten Spiel locker zig Stunden verbringen können. Dabei lassen sie sich nicht passiv berieseln, sondern werden selbst aktiv und müssen Denkarbeit leisten, um so manch knifflige Aufgabe zu lösen. Und dies eben nicht einmalig, sondern über Wochen, Monate oder gar Jahre hinweg.

Diesem interaktiven und langfristigen Erlebnis steht ein leidiges Phänomen unserer Gesellschaft gegenüber: Wir haben immer weniger Zeit – und damit meine ich vor allem Jungeltern, die neben Vollzeitstellen, Hausarbeit und Kinderbetreuung nur selten Zeit für ihre Hobbys haben. Und wenn doch, dann nur mit entsprechendem zeitlichen Abstand.

Lernen von der Serienwelt

In Österreich sind die insgesamt 5,3 Millionen Gamerinnen und Gamer im Schnitt 36 Jahre alt – also durchaus in einem Alter, in dem man tendenziell bereits eine Familie gegründet hat. Games-Entwickler sind daher gut beraten, sich an den Bedürfnissen dieser Zielgruppe zu orientieren.

Als Inspiration kann dabei gelten, was in der Welt der Netflix- und Amazon-Serien üblich ist. Hier wird zumindest zu Beginn einer neuen Staffel – oft auch zwischendurch – rekapituliert, was bisher geschehen ist. Macht ja auch Sinn, weil man sich nur selten an Dinge erinnern kann, die mindestens ein Jahr zurückliegen. Oder könnten Sie etwa jede Magierin aus The Witcher ad hoc beim Namen nennen? Eben.

Manche Games zelebrieren dies bereits – darunter unter anderem Rollenspiele wie The Witcher 3 oder Horizon: Forbidden West, deren Stärke vor allem in der Story liegt. Hier wird beim Laden des Spielstands in Text- oder Audioform kurz erklärt, an welcher Stelle der Geschichte man zuletzt aufgehört hat. Das hilft, vor allem in komplexe Handlungsstränge auch nach längerer Pause zumindest ansatzweise wieder hineinzufinden.

Ist dies nicht gegeben, so können sich Gamerinnen und Gamer auch kurz vor dem lang erwarteten Zockerabend noch Youtube-Videos ansehen – etwa diese Erklärung zu Halo auf Hessisch, die bei einer meiner vorherigen Kolumnen ein User im Forum dankenswerterweise verlinkt hat.

Game Two

Welche Taste muss ich drücken?

Apropos Halo: Den jüngsten Teil der Serie habe ich vor rund zwei Monaten zu spielen begonnen, musste dann aber mitten in der Kampagne wieder abbrechen, weil andere Sachen nun mal wichtiger waren. Die Kinder halt, der Job, und natürlich Lost Ark. Als ich gestern das Spiel wieder startete, war ich heillos überfordert. Und zwar nicht nur von der bereits besprochenen Sache mit der Story, sondern allgemein von der Frage, was ich in dem Spiel eigentlich machen kann und mit welchen Tasten ich die erwünschte Handlung durchführe.

Denn meist ähneln sich Games je nach Genre in den Basistastenbelegungen – bei Shootern bewege ich mich mit den WASD-Tasten –, doch allein schon das Springen und Ducken ist bei jedem Spiel mit anderen Tasten belegt, von Spezialaktionen wie irgendwelchen Enterhaken und Zaubersprüchen mal ganz zu schweigen. Und dann gibt es noch die ganzen Spezialkombos: Was muss ich bei Mortal Kombat drücken, um besonders cool zu killen? Keine Ahnung.

Klar kann ich ins Menü gehen und mir die einzelnen Tastenkombis heraussuchen – aber warum führen die Developer nicht einfach das Feature ein, dass ich nach langer Spielpause wieder einen Express-Auffrischungskurs machen kann?

Lohnende Zielgruppe

Allein diese beiden Features – Story-Recaps und Expresskurse zur Steuerung – würden es Eltern schon deutlich einfacher machen, Eure Spiele zu lieben, liebe Developer. Und Koop-Modi: Bitte, bitte, macht mehr Koop-Modi, damit wir uns abends nicht mehrt entscheiden müssen, ob wir lieber Zeit mit unserem Lieblingshobby oder unserem Lieblingsmenschen verbringen. Dass das funktioniert, zeigt das famose It Takes Two – und mehr partnertaugliche Spiele wären durchaus wünschenswert.

Dass solche Maßnahmen nicht nur dem häuslichen Frieden in den Familien dienen, sondern auch zum betriebswirtschaftlichen Erfolg beitragen, zeigt sich durch die eingangs erwähnten demografischen Daten der heimischen Gamingszene. Und dass die Branche gerne aufs Geld schaut, zeigt sich ja schon an vielen anderen Stellen, nicht zuletzt durch die aktuelle NFT-Gier. Aber das ist ein anderes Thema, über das wir uns ein anderes Mal unterhalten sollten. (Stefan Mey, 20.2.2022)