In Clubs ist das Infektionsrisiko hoch, Experten raten weiter zu Vorsicht.

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Anfang März werden die Infektionszahlen so stark gesunken sein, dass die Maßnahmen gelockert werden können, ohne dass dadurch die kritische Infrastruktur an ihre Belastungsgrenzen stößt – so weit die Prognose. Aber in der Modellrechnung bleiben Unbekannte. Das bereitet Expertinnen und Experten Sorge, manche sehen die geplanten Öffnungsschritte kritisch.

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Michael Wagner etwa, Mikrobiologe an der Uni Wien, hält die Öffnungsschritte für verfrüht: "Man hätte abwarten sollen, bis die Zahlen ganz klar nach unten gehen – vor allem in Hinblick auf die BA.2-Variante, die ansteckender ist und möglicherweise zu schwereren Verläufen führt als eine Infektion mit Omikron BA.1."

Die Lockerungen der Covid-19-Maßnahmen würden unvorbereitet durchgesetzt, warnt auch der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV). Es bräuchte Vorbereitungen auf diese weitreichenden Schritte, vor allem in Hinblick auf den exorbitanten Pflegepersonalmangel.

Ansteckungen bestmöglich verhindern

Der Molekularbiologe Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften kann mit den Lockerungen so weit leben: "Die Maßnahmen wurden bisher immer mit dem Ziel definiert, die Krankenhäuser vor dem Kollaps zu bewahren. Diesbezüglich muss man sich keine Sorgen machen. Es ist ziemlich klar, dass die Krankenhäuser das auch mit Öffnungen schaffen werden."

Auch unter Berücksichtigung des Subtyps BA.2 seien Öffnungsschritte möglich. Aber: "Zum Zeitpunkt der Lockerungen im März werden wir viel höhere Belegungen auf den Normalstationen haben als jetzt. Und die werden auch noch lange, lange ansteigen." Eine Omikron-Infektion biete zudem keinen Schutz vor zu erwartenden Wellen im Herbst mit anderen Virusvarianten.

Ansteckungen sollten demnach weiterhin trotz Lockerungsmaßnahmen bestmöglich verhindert werden: "Wenn die Infektion in der einen Welle nicht vor Infektion in der nächsten Welle schützt, muss das Ziel sein, dass sich in jeder Welle möglichst wenig anstecken", betont Elling. Ein gewisses Maß an Schutz sei also auf alle Fälle vernünftig – nur: Was bedeutet das für den Einzelnen?

Gastro abhängig von Inzidenzen

Mikrobiologe Wagner rät zum Tragen von FFP2-Masken in Innenräumen – auch dort, wo die Pflicht fällt – und regelmäßigem Testen, ganz besonders im Umgang mit vulnerablen Gruppen und Kindern. Insbesondere bei den unter Fünfjährigen ist eine Impfung noch nicht verfügbar. Die Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck unterstreicht das: "Kann in Innenräumen der Abstand von zwei Metern nicht eingehalten werden, sollte man weiterhin Maske tragen."

Sie rät außerdem zu einem genauen Blick auf die Corona-Zahlen für die Risikoabwägung. Wenn die Inzidenzen deutlich unter 1000 fallen, könne man ihrer Einschätzung nach in Lokale der Nachtgastronomie gehen. "Ist das nicht der Fall, gehe ich etwa nicht ins Restaurant, was ich bisher schon wieder gemacht habe, weil es durch 2G eine gewisse Sicherheit gab."

Molekularbiologe Elling sieht das ähnlich: "Wir sollten jetzt nicht alle die Masken fallen lassen und eine Covid-Infektion als etwas total Erstrebenswertes sehen. Bei hohen Inzidenzen in die Nachtgastronomie zu gehen, wo man ohne zugewiesenen Sitzplatz auf nahem Raum mit hunderten Menschen agiert, ist ein extremes Risiko", warnt er. Am Ende bleibe es eine persönliche Entscheidung, bei der man sich immer wieder aufs Neue fragen müsse: "Ist es mir das wert?"

Langfristig müssten wir uns – so schwer das auch fällt – laut Elling ohnehin an den Gedanken gewöhnen, mit diesem Virus zu leben: "Wir werden uns wahrscheinlich zumindest alle paar Jahre anstecken. Viele werden also noch mehrere Male Covid bekommen."

Infektionsfrequenz minimieren

Es sei damit zu rechnen, dass es zu tendenziell mehr als einer Welle pro Jahr kommt. Irgendwann müssten wir deshalb ohnehin zur Endemie übergehen: "Es ist jetzt, so zynisch das klingt, auch schon egal, ob wir damit im März oder einen Monat später beginnen. Es blüht uns sowieso."

Auf individueller Ebene sollte man aber versuchen, die Abstände zwischen den Infektionen so groß wie möglich zu halten. Vor allem auch, weil man vieles noch nicht weiß: Wenn der Verlauf bei der ersten Infektion mild war, heiße das nicht, dass auch der nächste mild sein wird. Zur Therapie von möglichen Langzeitfolgen einer Covid-Infektion gibt es wenig Daten, für Long-Covid-Betroffene fehlt in Österreich ein ausreichendes Versorgungskonzept.

Lockerungsmaßnahmen und Freiheiten genießen, ja, aber mit Bedacht, findet Elling: "Wir müssen wieder leben, und wir werden ein gewisses Risiko eingehen müssen. Wir können uns nicht auf Dauer wegsperren, aber unser Verhalten muss im Einklang mit Inzidenzen und Risikosettings sein." (Magdalena Pötsch, 19.2.2022)