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Ein Fahrer des Liefersupermarkts Weezy unterwegs in London.

Foto: Reuters/Toby Melville

In vielen Städten Europas buhlen Liefersupermärkte wie Flink, Mjam Market oder Jokr um die Gunst der Kunden. Sie versprechen nicht nur die Lieferung von Nahrungsmitteln und anderen Produkten des täglichen Bedarfs, sondern machen auch Werbung mit ihrer Geschwindigkeit. Je nach Standort wird Kunden teilweise versprochen, dass zwischen dem Abschicken ihrer Bestellung und der Ankunft der Lieferung nicht mehr als zehn Minuten vergehen.

Voraussetzung für derart schnelle Zustellung ist ein dichtes Netz an Lagern, aus denen die Fahrerinnen und Fahrer die Produkte abholen. Weil sie sortiert sind wie Supermärkte, aber keine Laufkundschaft bedienen, nennt man sie in der Branche auch "Darkstores". Deren Ausbreitung wird aber nicht überall gerne gesehen und kann auch Konfliktstoff bergen, wie sich in den Niederlanden zeigt. Amsterdam hat, wie "Wired" berichtet, als erste europäische Stadt einen einjährigen Stopp für neue Darkstores verhängt. Rotterdam ist dem Beispiel gefolgt, und weitere Städte in dem Land dürften bald nachziehen.

Lärm, Staus und Belästigung

Ein Beispiel für die Problemlage zeigt sich in einem Wohnviertel der Hauptstadt, wo der Anbieter Zapp im Mai 2021 ein Lager aufgesperrt hat. In der einst ruhigen Nachbarschaft, schildert ein Anrainer, fahren nun täglich zehn- bis 15-mal die Bestellkuriere ein und aus. Regelmäßig blockieren zudem große Lkws, die den Darkstore beliefern, die Straße. Der Betrieb läuft 24 Stunden am Tag, und in der Nacht kommt es zu Lärmbelästigung durch Fahrer, die sich während einer Pause draußen laut unterhalten. Die Spannungen zwischen den Bewohnern des Grätzels und dem Zapp-Personal stiegen, immer wieder kommt es zu Streitsituationen, die nur knapp nicht in Handgreiflichkeiten münden.

Eine Anrainerin meldete, dass sie, nachdem sie sich aufgrund nächtlicher Lärmbelästigung beschwert hatte, von einem Mann in Zapp-Uniform damit bedroht worden sei, dass er seine Freunde bei ihr "vorbeischicke". Sie selbst sei abends beim Heimkommen schon öfter verfolgt worden, und andere Anrainerinnen hätten ebenfalls schon über sexuelle Belästigung durch Mitarbeiter des Darkstores geklagt.

Zwei Seiten einer Medaille

Beim Anbieter gab man sich überrascht. Laut Vizestrategiechef Steve O'Hear hat man sich seit Betriebsstart in dem Viertel regelmäßig mit Anrainern getroffen. Die Gespräche seien weitestgehend freundlich gewesen, von den Konflikten höre er zum ersten Mal. Zapp, so betont er, pflege eine Nulltoleranzpolitik gegenüber seinen Angestellten, wenn es um sexuelle Belästigung geht.

Ein ehemaliger Fahrer berichtet von wilden Szenen aus einem anderen Stadtviertel. Dort habe ein entrüsteter Nachbar einen Darkstore mit Eiern beworfen, woraufhin ihm sechs Fahrer nachgelaufen seien, um ihn zu stellen. Dabei sollen sie auch versucht haben, in sein Wohngebäude einzubrechen.

Ein anderer Ex-Lieferfahrer, der für den Konkurrenten Gorillas tätig war, sieht aber einen Teil des Problems auch durch einige der Anwohner verursacht. Fahrerinnen und Fahrer müssten sich während ihrer Arbeit immer wieder rassistische Kommentare gefallen lassen, was sie zu aggressiven Reaktionen verleiten könnte.

Darkstore-Ausbaustopp könnte Probleme verschärfen

Zwischen den Fahrern, den verärgerten Stadtbewohnern und der mittlerweile auf das Problem aufmerksam gewordenen Lokalpolitik gibt es aber zumindest eine gemeinsame Position – nämlich dass die Hauptursache der Misere darin liegt, dass einige Darkstores sich an einem ungeeigneten Standort befinden. Verschärft wird das Problem durch die oft engen Gassen von Amsterdam.

Der Ausbaustopp für die Darkstore-Netze der Liefersupermärkte verhindert zwar eine potenzielle Ausweitung des Problems in weitere Stadtteile, löst das Problem aber nicht. Er könnte es sogar verschärfen. Denn die Nachfrage nach den Diensten steigt stetig, was zu noch mehr Betrieb bei den bestehenden Lagern führt. Zudem können die Betreiber ihre Darkstores bis zum Ende des "Freeze" nicht an geeignetere Standorte umsiedeln. Anrainern, die bereits mit Lärmbelästigung zu kämpfen haben, stehen damit weitere schlaflose Nächte bevor. (gpi, 21.2.2022)