Alexander Lukaschenko (links) und Wladimir Putin beobachten via Bildschirm die gemeinsamen Militärmanöver.

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Aus den Separatistenrepubliken Evakuierte im russischen Taganrog.

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Rund 40.000 Flüchtlinge sind aus den Separatistenrepubliken im Donbass in die benachbarten russischen Regionen Rostow, Kursk und Woronesch verbracht worden, vor allem Frauen, Kinder und Alte. Sie seien von Freiwilligen und Mitarbeitern des Katastrophenschutzes in Empfang genommen worden, die ihnen SIM-Karten und Verpflegung, aber auch psychologische Betreuung angeboten haben, berichtet das russische Staatsfernsehen. Frauen erzählen dann von nächtlichen Kanonaden, die sie zur Flucht veranlasst haben.

Gleich anschließend laufen Reportagen aus Donezk, wo die separatistischen Milizen ein Haus stürmen, in dem sich angeblich ukrainische Saboteure verschanzt haben, oder aus der benachbarten "Luhansker Volksrepublik", wo das ukrainische Militär einen Durchbruchsversuch gestartet haben soll, der aber zurückgeschlagen wurde. Zwei Zivilisten seien dabei ums Leben gekommen, heißt es. Von unabhängiger Seite sind diese Angaben nicht zu überprüfen.

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Widersprüchliche Meldungen

Die Tonalität der Berichte gemahnt an Kriegspropaganda, darauf ausgelegt, die Russen von der Notwendigkeit eines Moskauer Eingreifens zu überzeugen. Viele Bilder wirken gestellt, Meldungen sind widersprüchlich und unlogisch, wie im Fall des angeblich von ukrainischen Saboteuren gesprengten Fahrzeugs des Milizenchefs Denis Sinenkow vor der Donezker Administration. Über die Explosion wurde live am Freitagabend berichtet. Ungeachtet dessen soll der Attentäter schon am Donnerstag verhaftet worden sein.

Der Moskauer Politologe Maxim Schewtschenko nennt einen Krieg schon "unausweichlich". Belarus’ Verteidigungsminister Viktor Chrenin wiederum meint, "in Europa riecht es stark nach Schießpulver", der Kontinent werde gezielt in den Krieg gegen Russland und Belarus getrieben.

Manöver gehen weiter

Während Chrenin dem Westen so Kriegstreiberei vorwirft, setzen Minsk und Moskau ihre eigentlich seit Sonntag beendeten Truppenmanöver nun weiter fort. Die Entscheidung zur Überprüfung der eigenen Streitkräfte sei angesichts der militärischen Aktivitäten nahe der Grenze und der Eskalation im Donbass getroffen worden, teilte das belarussische Verteidigungsministerium mit.

In den Separatistenrepubliken läuft derweil die Mobilmachung auf Hochtouren: "Die gesamte männliche Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 55 Jahren soll sich gemäß Verfassung an den Sammelpunkten einfinden", sagte der Chef der "Luhansker Volksrepublik", Leonid Pasetschnik. Der Moskauer Politologe und einstige "Premier der Donezker Volksrepublik", Alexander Borodai, fügte hinzu, dass auch aus Russland viele Freiwillige bereits in den Donbass entsandt würden. "Im Falle einer breitangelegten Offensive vonseiten der Ukraine kommt die russische Armee mit ihrem gesamten Arsenal", fügte er hinzu.

Kiew allerdings bestreitet nach wie vor vehement irgendwelche Angriffsabsichten, wirft vielmehr den Separatisten Provokation vor. Bei den zahlreichen Beschüssen seien zwei Soldaten getötet worden, teilte das ukrainische Verteidigungsministerium mit.

Umstrittene Atomwaffen-Ankündigung

Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach sich in einem Telefonat mit Frankreichs Amtskollegen Emmanuel Macron für eine sofortige Einberufung der Kontaktgruppe und die Ausrufung einer Feuerpause aus. Selenskyjs zuvor auf der Münchner Sicherheitskonferenz geäußerte Absicht, sich wieder Atomwaffen zu verschaffen, sollte die Ukraine keine Sicherheitsgarantien bekommen, stieß auf Ablehnung. Alexej Sudin, Experte des russischen Außenministeriums, nannte die Worte "Erpressung" und warnte, damit wachse das "Sicherheitsrisiko Russlands bis in den Himmel".

Macron telefonierte am Sonntag auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die Lage im Donbass. Man wolle rasch an einem Waffenstillstand in der Ostukraine arbeiten, hieß es danach aus Paris. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte später: "Wir rufen zur Vernunft auf und dazu, sich die Frage zu stellen: Welchen Sinn hätte es für Russland, irgendjemanden zu überfallen?" Russland wolle keinen Krieg. "Wir wollen nicht einmal das Wort Krieg in den Mund nehmen." (André Ballin aus Moskau, 20.2.2022)