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Patienten in Betten vor einem Hongkonger Krankenhaus. Diese Bilder werden von China propagandistisch eingesetzt.

Foto: Reuters / Lam Yik

Hongkong erlebt gerade seinen schlimmsten Covid-19-Ausbruch seit Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren. Über 6000 Neuinfektionen meldeten die Behörden der Sonderverwaltungszone am Samstag. Trotz dieser vergleichsweise geringen Zahl an Infektionen befindet sich die Acht-Millionen-Stadt im Panikmodus.

Interessant ist dabei die Frage, was die Ereignisse in Hongkong für Chinas Zero-Covid-Strategie bedeuten und wie diese propagandistisch ausgeschlachtet werden. Bekannt ist seit langem, dass die Metropole nur eine sehr geringe Kapazität an Intensivbetten hat.

Betten auf der Straße

Am Donnerstag erlebten die Krankenhäuser eine Auslastung von 90 Prozent. Da ein effizientes Gesundheitssystem immer um diese Schwelle herum operiert, ist das angesichts der gemeldeten Fälle nicht sonderlich viel. Trotzdem schickten die Propagandamedien des Festlandes in den vergangenen Tagen Bilder um die Welt, auf denen Patienten in ihren Betten auf der Straße zu sehen sind.

Was dagegen tatsächlich überlastet ist, sind die Quarantäneeinrichtungen der Stadt. Diese sind derzeit zu 95 Prozent belegt. Hongkong verfolgt eine ähnlich radikale Zero-Covid-Politik wie das Festland. Wer positiv getestet wird, muss sich in eine zentralisierte Quarantäne begeben.

Dabei handelt es sich zum Teil um Hotelzimmer, immer öfter aber auch um kleine, oft fensterlose Containerzellen, in denen jeder, der positiv auf das Virus getestet wurde, mindestens sieben Tage verbringen muss. Regierungschefin Carrie Lam kündigte am Wochenende an, in den kommenden Tagen 10.000 solcher "Isolationseinheiten" zu bauen.

Wie auf dem Festland müssen sich auch hier Hunderttausende zu Massentests einfinden. So erging es vergangene Woche den Bewohnern des gehobenen Stadtteils Discovery Bay auf Hongkong Island, nachdem man Spuren des Virus im Abwasser gefunden hatte. Lam kündigte an, es werde drei Monate dauern, den Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen.

Ärzte entsandt

Derweil tut Peking alles, um die vergleichsweise geringe Zahl an Neuinfektionen mit der milden Omikron-Variante propagandistisch auszuschlachten. In Peking kündigte Xi Jinping an, Hongkong mit medizinischen Material und Ärzten zu unterstützen. 114 Ärzte sind am Samstag eingetroffen.

Eine große Nachricht war dem Staatsfernsehen auch wert, dass ein Frachter drei Tonnen Kohl nach Hongkong bringt. In den Tagen zuvor war es zu Engpässen gekommen, nachdem einige Lkw-Fahrer positiv auf das Virus getestet worden waren und man daraufhin den Frachtverkehr eingestellt hatte.

Peking hat so die Möglichkeit, sich zum Retter der Stadt zu stilisieren. Noch 2019 demonstrierten hunderttausende meist junge Hongkonger für mehr Demokratie und Autonomie. Kommunalwahlen im Dezember 2019 zeigten, dass die Demokratiebewegung von einer breiten Mehrheit getragen war. Mit Ausbruch der Pandemie gab es keine Demonstrationen mehr, die Autonomie wurde im Sommer 2020 offiziell beendet. Die Studentenführer sitzen heute entweder im Gefängnis oder wurden ins Exil gezwungen.

Beobachter gehen davon aus, dass Peking den Ausbruch ein weiteres Mal dazu nutzen wird, die Verwaltung mit KP-treuen Beamten zu ersetzen. In der Festlandpresse war auch von von "westlichen Werten" geprägten Beamten die Rede, die Schuld an den Infektionszahlen seien.

Kritik am Westen

Und schließlich geht es der chinesischen Führung auch um die eigene Bevölkerung. Seit Beginn der Pandemie hat man auf dem Festland einerseits die Angst vor der Krankheit geschürt und gleichzeitig auf westliche Länder gezeigt, die bei der Pandemiebekämpfung versagen würden.

Chinesische Eltern raten ihren Kindern im Ausland noch heute, am besten das Haus gar nicht zu verlassen. Die Bilder aus Hongkong schüren nochmals Angst vor dem Virus und preisen das vermeintlich bessere chinesische Modell. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 20.2.2022)