Die WKStA will wegen Verdachts auf Anstiftung zum Amtsmissbrauch gegen Wöginger ermitteln, braucht dazu aber die Zustimmung des Nationalrats.

Foto: APA / GEORG HOCHMUTH

Wien – Der Termin für den Ausschuss, in dem über die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von ÖVP-Klubchef August Wöginger entschieden wird, steht: Die Sitzung wird am Mittwoch um 8 Uhr stattfinden, hat Selma Yildirim, SPÖ-Justizsprecherin und Obfrau des Immunitätsausschusses, dem STANDARD bestätigt. Yildirim hatte den anderen Fraktionen diesen Termin vorgeschlagen. An diesem Tag ist die nächste, zweitägige Sitzung des Nationalrats angesetzt. Die Entscheidung soll daher am Donnerstag getroffen werden.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte den Nationalrat darum ersucht, Wögingers parlamentarische Immunität aufzuheben, um die Ermittlungen rund um mutmaßlichen Postenschacher im Jahr 2017 fortführen zu können. Yildirim ging am Montag davon aus, dass die Aufhebung der Immunität beschlossen werden wird.

Wöginger machte Weg frei

Zuvor hatte Wöginger bekanntgegeben, dass er den Weg für Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen sich freimachen werde: Er werde den Immunitätsausschuss um seine Auslieferung bitten, teilte Wöginger der APA mit. Es geht um den Verdacht auf Anstiftung zum Amtsmissbrauch bei der Bestellung des Vorstands des Finanzamts Braunau im Jahr 2017. "Ich möchte, dass es hier rasch zur Aufklärung kommt, und es wird sich schnell herausstellen, dass an den Vorwürfen nichts dran ist", erklärte Wöginger.

Mit dieser Ankündigung ist die Aufhebung seiner Immunität de facto sicher, denn die Opposition hatte sich ohnehin dafür ausgesprochen, und auch die Grünen können nun mitgehen, ohne einen Koalitionsbruch zu riskieren. Man nehme Wögingers Aussagen "zur Kenntnis" und werde dem nachkommen, entspreche es doch auch dem Bestreben der Grünen, hier möglichst eine Einigung mit allen Parteien zu erreichen, sagte ein Sprecher des grünen Klubs Montagfrüh.

Mutmaßlicher Postenschacher bei Finanzamt

Die Staatsanwaltschaft will wegen des Verdachts auf Bestimmung zum Amtsmissbrauch ermitteln. Es geht um die Bestellung eines oberösterreichischen ÖVP-Bürgermeisters zum Vorstand des Finanzamts für Braunau, Ried und Schärding 2017. Gegen vier Mitglieder der damaligen Begutachtungskommission wird ermittelt, weil sie aus "parteipolitischen und somit sachfremden Motiven" den Bürgermeister als bestgeeigneten Bewerber gereiht und damit eine andere Bewerberin "aufgrund ihrer Weltanschauung" diskriminiert haben sollen. Die unterlegene Kandidatin, die mittlerweile pensionierte Finanzbeamtin Christa Scharf, hatte die Postenvergabe juristisch bekämpft und vom Bundesverwaltungsgericht Recht bekommen.

Wöginger soll laut dem Auslieferungsbegehr der Staatsanwaltschaft als Abgeordneter beim damaligen Kabinettschef des Finanzministeriums, Thomas Schmid, in der Angelegenheit interveniert und "seinem parteipolitisch motivierten Besetzungswunsch Nachdruck" verliehen haben. So liegen Chats vor, in denen Schmid an Wöginger in der Sache schrieb: "Wir haben es geschafft (...) Der Bürgermeister schuldet dir was!" Wöginger fand das "echt super".

Wöginger weist Vorwürfe zurück

Er habe den Bürgermeister "stets für einen qualifizierten und geeigneten Kandidaten für diese Position gehalten" und auch "zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die unabhängige Kommission, die entschieden hat, genommen", erklärte Wöginger.

"Ich habe meine Arbeit als Abgeordneter stets gewissenhaft gemacht", betonte er nun abermals in einer Stellungnahme. "Im Zuge meiner Sprechstunden bearbeite ich natürlich Bürgeranliegen. Ich bin nicht der Einzige, der solche Anliegen weiterleitet. Das ist Teil unserer politischen Arbeit", so Wöginger. "Ich stelle mich hier auch vor alle Bürgermeister und Funktionäre, die dies machen."

Er hoffe, dass der Immunitätsausschuss seiner Auslieferung geschlossen zustimme, erklärte Wöginger. "Es wird sich dann rasch zeigen: An den Vorwürfen ist nichts dran, und es wird auch nichts herauskommen."

Opposition: Parlament entscheidet

Vertreter der Oppositionsfraktionen erklärten hingegen, dass die Entscheidung Sache des Parlaments und nicht Wögingers sei: "Die Entscheidung hängt nicht vom Wunsch eines einzelnen Abgeordneten ab", sagte etwa SPÖ-Abgeordnete und -Justizsprecherin Selma Yildirim im Ö1-"Mittagsjournal". Und: "Ich finde es grundsätzlich richtig, dass die Blockadehaltung der ÖVP aufhört."

Auch FPÖ-Abgeordneter Philipp Schrangl sagte, nicht Wögingers Wunsch sei entscheidend, sondern jener des Parlaments. Die Freiheitlichen werden einer Auslieferung jedenfalls zustimmen, "weil Korruption keine Tätigkeit des Abgeordneten sein kann". Die Klärung des Verdachtes liege aber jedenfalls bei der Justiz, betonte er. Auf die Zuständigkeit der Justiz verwies auch Neos-Vize-Klubobmann Nikolaus Scherak. "Die Frage, die wir uns hier stellen müssen: Liegt hier ein Zusammenhang zur politischen Tätigkeit als Abgeordneter vor? Und ich gehe davon aus, dass dieser nicht vorliegt und dementsprechend eine Auslieferung jedenfalls notwendig ist", sagte er gegenüber Ö1.

Gegenstand: "Politische Intervention"

Der Fall könnte eine prinzipielle Debatte über die Immunität der Abgeordneten nach sich ziehen. Grundsätzlich dürfen Abgeordnete ohne Zustimmung des Nationalrats wegen einer strafbaren Handlung nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn diese offensichtlich in keinem Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit steht.

In der Causa Wöginger merkte die Staatsanwaltschaft selbst an: "Fallbezogen liegen angesichts dieser Rechtslage Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Tat und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten August Wöginger vor, weil Gegenstand des zu prüfenden Verdachts gerade eine politische Intervention ist", heißt es in dem Auslieferungsersuchen. "Aus Sicht der WKStA kann daher nicht von einem offensichtlich mangelnden Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit gesprochen werden."

Diskussion über Immunität

Für den Parlamentarismusexperten und ehemaligen ÖVP-Klubdirektor Werner Zögernitz würden die Vorwürfe gegen Wöginger eigentlich keine Auslieferung bedingen, weil ein Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Parlamentarier bestehe.

Wöginger will nun offenbar eine Diskussion starten: Es gelte, "die Regeln für die Immunität neu zu denken", meinte er. Denn politische Tätigkeit allein reiche offenbar nicht mehr, um die Immunität eines Abgeordneten zu erhalten. (giu, APA, 21.2.2022)