Laut aktueller Umfrage bringt es die Impfgegnerpartei MFG bundesweit bereits auf sieben Prozent.

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Das Telegram-Video kommt als Schimpforgie daher. Von einer "Scheißrepublik", dem "Scheißidiotenstaat" und "Dreckssystem" ist darin die Rede. Mit dem verbalen Ausritt reagiert Roland Karner auf die Beschlagnahme seines Handys. Grund sei ein "Hitlerbild", das er im Jänner im Netz gepostet habe und das zu problematischen Kommentaren geführt haben soll, erklärt er.

Ein Gesicht der Proteste

Karner ist eines der Gesichter der Corona-Proteste in Österreich, er ist einer ihrer Telegram-Stars. Seit rund zwei Jahren ist er als "Gesundheitsmechaniker" in der Szene der Corona-Verharmloser und -Leugner aktiv und konnte auf seinen Social-Media-Kanälen eine beachtliche Gefolgschaft versammeln.

Roland Karner ist einer der Telegram-Stars der Corona-Proteste mit einem gelben Stern mit der Aufschrift "ungeimpft".

Allein sein Telegram-Kanal zählt mehr als 15.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Und Karner trat in den vergangenen Monaten als Aktivist der Impfgegnerpartei MFG (die Abkürzung für Menschen, Freiheit, Grundrechte) in Erscheinung. Er unterstützte die Partei unter anderem während des Wahlkampfs in Oberösterreich, und er ist auch auf der Homepage der Partei auf einem Foto abgebildet, auf dem das MFG-Führungsteam zu sehen ist.

Antisemitische Bildsprache

Wenn der "Gesundheitsmechaniker" Karner gegen Impfungen, Freimaurer, Bilderberger und "Globalisten" im Netz polemisiert, dann bedient er sich auch schon mal einer antisemitischen Bildsprache. So ist etwa ein Sujet auf seinem Telegram-Kanal zu finden, in dem "Regierungen und Medien" als Marionetten dargestellt werden, die unter anderem von einem Davidstern gelenkt werden – jenem Symbol, das vor allem für Israel und das Judentum steht. Damit gibt er die Verschwörungserzählung zum Besten, Jüdinnen und Juden würden Medien kontrollieren.

Im Dezember des vergangenen Jahres hat Karner ein Sujet veröffentlicht, das an "Stürmer"-Karikaturen erinnert. "Wer sich fünf Minuten mit antisemitischer Bildsprache befasst hat, erkennt einen prototypischen 'Stürmer'-Juden mit Winkel/Zirkel/Hammer/Sichel auf der Brust, also: jüdisch-freimaurerisch-bolschewistische Weltverschwörung", schrieb dazu der Rechtsextremismusforscher Bernhard Weidinger auf Twitter. Schon zuvor hatte Karner in einem Video einen gelben Judenstern mit der Aufschrift "ungeimpft" in die Kamera gehalten.

"Inbegriff von Empathielosigkeit, Verblendung und Zynismus"

Wer sich einen solchen Stern anheftet, muss auf den Corona-Demonstrationen mittlerweile mit einer Anzeige wegen Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz rechnen. Gelbe Sterne auf den Kundgebungen der Impfgegnerinnen und Impfgegner zu tragen ist eine besonders infame Verharmlosung des Naziterrors. Maram Stern, der Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, nannte es "besonders widerlich", wenn Corona-Verharmloser versuchten, für sich selbst eine Opferrolle in Anspruch zu nehmen, die den Opfern des Holocaust gleichkomme. "Ich weiß nicht, was schändlicher sein könnte, als sich im Angesicht der hochbetagten Überlebenden von Auschwitz, Majdanek und anderen Konzentrationslagern und Ghettos an deren Leidensgeschichte zu vergreifen. Es ist der Inbegriff von Empathielosigkeit, Verblendung und Zynismus."

Rechts-außen-Medien und MFG

Im Mai 2021 trat Karner als Gast im Podcast der rechtsextremen Zeitschrift "Info-Direkt" auf. Die in Oberösterreich erscheinende Zeitschrift wird unter anderem von AfD- und FPÖ-Politikern sowie Identitären als publizistisches Podium genutzt. Auch andere Medien, etwa das "Freilich-Magazin", Nachfolger des berüchtigten Burschenschafterblattes "Aula", oder "Report 24" berichten auffällig oft über MFG.

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Als Sprachrohr der neuen Partei, die bei den Wahlen in Oberösterreich im September des vergangenen Jahres 6,23 Prozent holte und damit in den Landtag einzog, gilt hingegen der in Oberösterreich angesiedelte Onlinesender Auf1. Das erst vor wenigen Monaten gestartete Medium räumt MFG breiten Raum in seinen Sendungen ein – so war "Gesundheitsmechaniker" Karner bereits in dessen Studio als Gesprächspartner zu Gast. Neben Stimmungsmache gegen die Impfung und andere Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Pandemie verbreitet Auf1 auch Verschwörungsmythen – etwa über die Terroranschläge vom 11. September 2001 oder über "Globalisten", eine Bezeichnung, die völkischen Rechtsextremen als Chiffre für "Juden" dient, wie etwa die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in einem Dossier schreibt.

Regenbogenfahne zerrissen und Feier mit Küssel

Für Auf1 arbeitet auch Manuel Mittas, ein Mann, der schon im Sommer 2020 bei Corona-Protesten in Erscheinung trat, als er, gemeinsam mit der verschwörungsgläubigen Aktivistin Jennifer Klauninger, auf einer Rednerbühne eine Regenbogenfahne zerrissen hat.

Mittas begleitet die Corona-Demonstrationen mit seiner Kamera und veröffentlicht Videos auf seinem Youtube-Kanal. Wegen seiner Auftritte und Videos hat Mittas innerhalb der Szene der Corona-Demonstrierenden ein gutes Standing. Für Schlagzeilen sorgte zuletzt ein Video, das Mittas beim Plaudern während einer Feier mit dem Neonazi Gottfried Küssel zeigte. Darin ist von Sprengstoffgürteln, einem Militärputsch und gemeinsamen Aktionen die Rede. "Das nächste Jahr wird nicht lustig werden, liebe Freunde", sagte Mittas in die Kamera. 2022 werde nicht "easy-cheesy" mit "zweimal um den Ring spazieren und so Blödheiten". Zusammen mit Küssel kündigte er an, dass man "etwas gemeinsam machen" werde. "Wir wissen noch nicht genau, was wir machen, aber wir ziehen es durch", sagte Küssel in die Kamera.

Aktiv im Neonazi-Milieu

Als Chefredakteur von Auf1 agiert Stefan Magnet, der einst im Neonazi-Milieu aktiv war und über Kontakte zur FPÖ verfügt. So war er mit dabei, als die FPÖ in Moskau den Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei Einiges Russland unterzeichnete.

Mit Auf1 ist Magnet ein guter Start geglückt, der Sender ist für viele Nutzerinnen und Nutzer an die Stelle des "Wochenblicks" getreten, einer Zeitschrift, die bisher Impfgegnerinnen und Impfgegner sowie Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungsmythen bediente. Der Presserat warnte vor der "irreführenden Berichterstattung" des "Wochenblicks". Magnet arbeitete für den "Wochenblick", bevor er Auf1 gründete. An seiner Seite findet sich auch Elsa Mittmannsgruber. Die ehemalige "Wochenblick"-Chefredakteurin wechselte vor wenigen Tagen offiziell zu Auf1, nachdem sie zuvor nebenbei für den Sender regelmäßig tätig gewesen war.

Der Auf1-Bus taucht bei zahlreichen Corona-Demos in Österreich auf.
Foto: Markus Sulzbacher

Auf1 ist auch bei Corona-Demonstrationen zu finden. Der blaue Auf1-Bus taucht mittlerweile in ganz Österreich auf und ist eine Anlaufstelle für Sticker oder Broschüren gegen die Impfpflicht. Er war auch dabei, als Corona-Maßnahmen-Gegnerinnen und -Gegner vor einem Hort in Linz demonstrierten und den an Fenstern stehenden Kindern zuriefen: "Eure Eltern töten euch mit der Impfung." Ein Vorgehen, das nicht nur die Kinder verstörte, sondern auch scharfe Kritik seitens der Politik nach sich zog.

Auf der MFG-Facebook-Seite und dem Telegram-Kanal werden auch Auf1 und "Wochenblick" geteilt und wohlwollend kommentiert. Die Inhalte passen zu der Partei, die die Pandemie und die Gefährlichkeit des Virus verharmlost und ständig gegen die Impfung wettert.

Nina Proll und Roland Düringer angekündigt

Auf der Facebook-Seite von MFG wird für eine Veranstaltung geworben, die am kommenden Sonntag, dem 27. Februar, in Wien über die Bühne gehen soll. Sie hat den Titel "Europa for Freedom – Gemeinsam für die Würde, Wahrheit & Menschlichkeit", soll aus Kundgebung und anschließender Demonstration bestehen, bei der unter anderen der ehemalige ORF-Moderator Reinhard Jesionek, die Schauspielerin Nina Proll und der Kabarettist Roland Düringer als Rednerin und Redner angekündigt werden. Drei Personen des öffentlichen Lebens, die schon länger gegen die Maßnahmen auftreten.

Roland Düringer soll auftreten.
Foto: STANDARD/Heidi Seywald

Sucharit Bhakdi kommt nach Wien

Auch MFG-Parteichef Michael Brunner soll bei der Kundgebung reden, wie auch Sucharit Bhakdi, der sich über Monate auf Servus-TV als Ikone der Corona-Leugnerinnen und -Leugner und Corona-Verharmloserinnen und -Verharmloser stilisieren konnte. Allerdings wurden seine Servus-TV-Auftritte gecancelt, nachdem antisemitische Äußerungen von ihm bekannt geworden waren. Bhakdi hatte in einem Interview behauptet, "das Volk der Juden" habe von den Nazis das "Erzböse" gelernt und "umgesetzt". Konkret sagte er: "Das Volk, das geflüchtet ist aus diesem Land, aus diesem Land, wo das Erzböse war, und haben (sic!) ihr Land gefunden, haben ihr eigenes Land in etwas verwandelt, was noch schlimmer ist, als Deutschland war. (…) Das ist das Schlimme an den Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt. Deshalb ist Israel jetzt living hell – die lebende Hölle." Aussagen, die behördliche Ermittlungen auslösten.

Antisemitismus bei den Protesten

Solche Aussagen zeigten, dass Antisemitismus ein zentrales Bindeglied der Corona-Proteste ist. Schon bei der ersten Kundgebung in Wien, im April 2020, war etwa zu hören, dass Jüdinnen und Juden hinter der Pandemie stecken würden. Eine andere Teilnehmerin bezeichnete sich und andere Protestierende als "die neuen Juden". Bereits der Halbjahresbericht der Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde für das Jahr 2021 dokumentiert ein Anwachsen antisemitischer Vorfälle. Im ersten Halbjahr 2021 waren es 562 – und damit doppelt so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. (Markus Sulzbacher, 23.2.2022)