Ängste und Konflikte im Job seien auch ein wesentlicher Kostenfaktor, sagt Unternehmensberater Peter Gruber.

Pflichtbewusstsein steht an allererster Stelle, wenn österreichische Arbeitskräfte ihr Verhältnis zum Job beschreiben. Und, noch besser: 68 Prozent stimmen völlig oder überwiegend der Aussage zu, dass sie ihre Arbeit "über den Gelderwerb hinaus als sinnvoll" erleben.

Peter Gruber ist Unternehmensberater und Autor der Studie "Soziale Gesundheit in Österreichs Betrieben".
Foto: Robert Newald

Peter Gruber, Autor der Studie "Soziale Gesundheit in Österreichs Betrieben", verweist aber auf die dunkleren Bereiche, die seine Untersuchung aufgedeckt hat: "Wir sind fleißig, aber nicht aufrichtig." Über die Bedeutung der Aufrichtigkeit hat Gruber in der Zusammenarbeit mit dem legendären Sozialforscher Ernst Gehmacher (1926–2021) gelernt: "Mir ist aufgefallen, dass der Ernst nie negativ über andere gesprochen hat. Er hat gesagt: 'Ich rede so, als ob derjenige auch dabei wäre.' Das haben wir dann 2008 auch in unsere Studie einbezogen."

Schädliches Getuschel

Im vergangenen Herbst wurde die Befragung neuerlich durchgeführt – mit dem Ergebnis, dass nur 17 Prozent völlig und weitere 23 Prozent teilweise der Aussage zugestimmt haben, über Abwesende werde so gesprochen, als ob sie dabei wären. Jeder Elfte sagt sogar, dass die Aussage in seinem Arbeitsumfeld nicht zutrifft.

Gruber: "Unaufrichtigkeit ist ein Volkssport in Österreich. Wenn es um soziale Gesundheit geht, dann darf man nicht schlecht über andere reden. Der andere kriegt das ja doch irgendwie mit, reagiert seinerseits darauf, und so weiter. Daher muss man wissen: Rufmord ist Selbstmord." Das werde eben nicht dadurch aufgewogen, dass ohnehin 81 Prozent mehr oder weniger deutlich ausdrücken, dass die Arbeit selbst so erledigt wird, wie sie vereinbar wurde – mit der Durchschnittsnote 1,8 ist dieses in der aktuellen Studie neu abgefragte Element das höchstbewertete.

Was sich im Vergleich der beiden Studien deutlich verändert hat, ist: Fehler werden weniger eingestanden, und Vorgesetzte hören nach den Erfahrungen ihrer Mitarbeiter im Schnitt weniger geduldig zu. Sieben Prozent der Befragten beklagen, dass Kritik nicht das Gesicht wahrend unter vier Augen geäußert werde.

Teure Ängste

In einem zweiten Fragenblock wurde erhoben, welche Ängste am Arbeitsplatz herrschen. "Ängste und Konflikte sind ein Kostenfaktor – der scheint nur in der Buchhaltung nicht auf, weil das in den Personalkosten verschwindet", sagt Gruber.

Immerhin jeder zwanzigste Befragte stimmte völlig der Aussage zu, Fälle von Mobbing in seiner Arbeitsumgebung zu erleben – am anderen Ende der Skala schließen allerdings 57 Prozent Mobbing in ihrem Umfeld aus. Die Gesamtnote lautet hier 1,9 – verglichen mit 2,3 im Jahr 2008; die Beobachtung von Mobbing hat also zugenommen.

Aber: Nur 34 Prozent haben gar keine Sorge, an Wertschätzung und Anerkennung zu verlieren.

Befürchteter Karriereknick

Der Zeitvergleich zeigt auch hier, dass die Sorgen zugenommen haben – besonders deutlich wird das bei dem Punkt, wo es um Karrierenachteile durch Krankheit geht: Da änderte sich die Durchschnittsnote von 2,7 auf 2,3 – was in diesem Fall bedeutet, dass die Befragten jetzt mehr von der Sorge umgetrieben werden, durch Krankheit beruflich gebremst zu werden.

Gruber hat die Daten auch detaillierter ausgewertet: Die Beschäftigten 50 plus empfinden ihre Arbeit als deutlich sinnvoller als die jüngeren, Beschäftigte in Klein- und Mittelbetrieben sowie Führungskräfte ziehen ebenfalls mehr Sinn aus ihrer Arbeit.

Sein Unternehmen Wiener Personaldiagnostik hat auch ein Ranking der Erfolgsfaktoren für Freude an der Arbeit erstellt, bei dem das Pflichtbewusstsein von den Arbeitskräften selbst vor Sinn und richtigem Ausmaß (weder Über- noch Unterforderung) am höchsten gereiht wird. "Die Kategorie Pflichtbewusstsein haben wir 2008 noch nicht abgefragt – sie ist jetzt mit der Note 1,8 ganz oben auf der Liste. In unserer ersten Studie war sinnvolle Arbeit top – aber da ist die Note mit 2,1 heute schlechter als damals. Was sich nicht verändert hat: Aufrichtigkeit wird in ihrer Bedeutung für sozial gesunde Betriebe nach wie vor unterschätzt", sagt Gruber. (Conrad Seidl, 26.2.2022)