Skopik & Lohn schaut auf einmal ziemlich anders aus – der alles überstrahlende Plafond blieb aber eh.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Okay, den Stephansdom haben sie auch irgendwann seiner gotischen Klarheit beraubt und an jeder möglichen und unmöglichen Ecke mit Barockprotz verziert. So ist das in Österreich. Insofern darf man sich nicht wundern, wenn mit dem Skopik & Lohn jetzt auch eine Wirtshauskathedrale der Hauptstadt ganz anders ausschaut. Im Gegensatz zum Steffl ist es aber wenigstens so, dass die Hütte nach der Renovierung um nix schlechter dasteht als vorher. Der Zitko-Plafond blieb, wie er war, auch sonst wurden in die Neugestaltung etliche Arbeiten zeitgenössischer Künstler integriert.

Die senfgelben Lamperien sind plötzlich schwarz und mit kunstvoll erblindeten Spiegeln intarsiert, die Andreas Duscha beigesteuert hat. Im Extrazimmer hat Olivia Rose ein Mural gemacht, auch am Klo gibt's Kunst, da war Armin Karner, der im Brotberuf die Art-Direktion im STANDARD bestreitet, an den Fliesen zugange.

Das Allerheiligste blieb

Die Schankbudel ist nach Pariser Manier nun matt verzinkt und hat arg gute Vintage-Barstühle vorangestellt bekommen. Die neuen Speisekarten wurden mit Traubenleder (ja, das gibt’s) und Bambus vom nippokroatischen Taschenlabel Sagan Vienna gestaltet. Statt der viereckigen Tische mit Tischtuch kamen runde im Kaffeehausformat, statt der Thonet-Bugholzstühle solche im Haerdtl-Design mit Kunstlederbespannung. Die sind, wie auch die Schummrigkeit verbreitenden Wandleuchten, aus dem Fundus der Vintagerie und wirken so, als ob sie eh schon immer hier gestanden wären.

Noch schwerer als der neue Look dürfte für Wiener Gewohnheitstiere aber die neue Speisekarte zu verdauen sein. Keine Sorge, das Allerheiligste in Form des Schnitzels samt herrlich unsiaßlertem Erdäpfelsalat und deplatzierten Preiselbeeren gibt es immer noch, und es ist in seiner hoch aufgeblasenen Panier immer noch sehr – aber nicht zu – dünn geklopft, sodass das Kalb nicht ausschließlich zu Trägermaterial für die Brösel verkommt.

Es ist einstweilen die einzig warme Speise im Angebot, alles andere wurde, im Bemühen um mehr Barcharakter (Cocktails werden hier sehr ernst genommen), auf kühl umgestellt. Dass man dennoch den Eindruck hat, richtig erwachsenes Essen zu bekommen, ist das Verdienst von Co-Betreiber Constantin Satek, der jetzt in der Küche steht.

Essen, wie man es sich gern gefallen lässt: mit Hingabe zubereitet, in unaufgeregt weltläufigen Kombinationen, mit sicherer Hand gewürzt.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Vitello tonnato etwa, aus butterzart rosa gebratenem Kalb mit einer herrlich kraftvoll abgeschmeckten Salsa tonnata: So kann man sich ganz neu für diesen Uralt-Hadern der kalten Küche erwärmen. Oder roh marinierte Jakobsmuscheln, die in ihrer wunderbar seidigen Schlüpfrigkeit ganz unerwartet austriakisches Geschmacksprofil entwickeln: Die Kombination aus brauner Butter und Schnittlauch im Dressing schickt einen als Wiener offenbar ganz automatisch und unausweichlich in Richtung Frittaten.

Trüffelrübe

Ceviche von Garnelen bietet knackige, rohe Meeresfrüchte in ziemlich feuriger Tigermilch aus Limettensaft, Chili und Koriander – einzig die winterklammen Paradeiser wirken dazu gar zaghaft kombiniert.

Rote Rüben dürfen lauwarm zu Tisch, in boshaft guter Trüffelbutter samt Butterbröseln, herrlich bissfest, zu fleischiger Konsistenz gebraten. Das von Hand geschnittene Tartare von XO Beef ist überhaupt der Bringer, großartige Produktqualität mit wenigen, klassischen Zutaten in Kontur gebracht.

Das ist alles Essen, wie man es sich gern gefallen lässt und wie es in Wien erstaunlicherweise immer noch selten zu bekommen ist: mit Hingabe zubereitet, in unaufgeregt weltläufigen Kombinationen, mit sicherer Hand gewürzt. Fazit: Man hat schon einmal deutlich schlechter gegessen im Skopik. (Severin Corti, RONDO, 25.2.2022)

Weitere Kritiken von Severin Corti