Alessandra Dorigato kommt zum Interview mit Selbstgebackenem: einer dunklen, köstlichen Schokoladenkreation namens "Torta tenerina". Typisch italienisch, meint sie, sei diese "Torta": ohne viel Chichi oder Creme, eher das, was wir in Österreich als Kuchen bezeichnen würden. Die "Torta tenerina" stammt aus Ferrara, schreibt Dorigato in ihrem Foodblog "A modo mio". Sie wurde 1900 zu Ehren von Elena, der damaligen Königin Italiens, erstmals gebacken.

Sie ist in der Region so beliebt, dass man sie überall in den Gasthäusern bestellen kann. Es sind diese feinen, kenntnisreichen historischen Geschichten und Anekdoten über das vorgestellte Gericht, die den Blog von Alessandra Dorigato auszeichnen und aus dem nun ein Kochbuch entstanden ist.

Alessandra Dorigato schreibt seit 2017 den Blog "A modo mio".
Foto: Anna Stöcher

Viele der Erzählungen hörte sie schon als Kind, wenn sie beim Kochen und Vorbereiten der Speisen mithelfen musste. In einer traditionellen Familie in den 1970er-Jahren sei das in Italien eben üblich gewesen, meint sie. Gemeinsam mit anderen Frauen wurde neben der Arbeit geplaudert, vorgelesen und gelacht. Ihre Nonna Nina erzählte ihr gern Legenden über die Speisen, um sie bei der Küchenarbeit zu unterhalten. Nach Dorigatos Auszug war jedoch einige Jahre Schluss mit Kochen: "Ich musste mich quasi befreien."

1999 reiste Alessandra Dorigato, damals als Lehrerin tätig, nach Wien, um Deutsch zu lernen. Aus zwei Monaten wurde ein Sabbatical, dann lernte sie ihren künftigen Mann kennen und blieb in Wien.

Möglichst viel Neues

Hier wollte sie möglichst viel Neues aufnehmen: die Sprache besser lernen, Geschmäcker und Gerüche wahrnehmen, in die Kultur eintauchen. Als Ausländerin komme man jedoch irgendwann zu dem Punkt, an dem man spätestens bei einem Heimatbesuch feststelle, dass man weder Fisch noch Fleisch sei – und sich daher auf das besinne, was man hinter sich gelassen habe.

"Für mich ist der Blog wohl meine Art, mich zu erinnern, woher ich komme und wer ich bin. Bevor ich eine Geschichte anderen erzähle, erzähle ich sie mir selbst. Ich erinnere mich an eine Speise, ein Buch, eine Reise. Und dann möchte ich darüber schreiben. Das Rezept ist das Ende."

Zunächst bloggte Dorigato übers Nähen, ab und zu veröffentlichte sie ein Rezept. 2017 erhielt sie das Angebot, einen wöchentlichen Rezeptblog auf derStandard.at zu veröffentlichen, anfangs war die Ausrichtung von "A modo mio" noch nicht ganz klar. Diese ergab sich auch durch das Feedback der Standard.at-Community. Ihr Wissen gibt sie seit zwei Jahren auch in Pastakochkursen weiter, im Fernsehen bereitet sie seit Herbst in Studio 2 im ORF live einmal im Monat italienische Gerichte zu.

Aus dem Hobby wurde ein Beruf – oder kann man von Berufung sprechen? "Ja", meint sie, "definitiv. Es ist wahnsinnig toll, in meinem Alter noch einmal etwas Neues starten zu können, und aus dem, was man an Lebenserfahrung gesammelt hat, zu profitieren. Beim Unterrichten schließt sich der Kreis zu meinem früheren Beruf als Lehrerin."

Cantuccini werden meist mit Mandeln gemacht. In der Edelvariante kommen Pistazien in den Teig.
Foto: Alessandra Dorigato

Schweinsbratenliebe

Als Italienerin in Wien erlebt Dorigato die Unterschiede zwischen italienischer und österreichischer (Koch-)Kultur. Ein Beispiel sind Essenseinladungen: "Bei uns ist nicht schon alles perfekt. Man kommt irgendwann an, und dann heißt es zu Tisch, und anschließend sitzen und essen und reden wir ewig. Das zeichnet auch mein Lieblingslokal in Wien aus, die Gänge kommen langsam hintereinander, und es bleibt viel Zeit."

An österreichischem Essen liebt sie besonders Schweinsbraten mit Semmelknödeln, zubereitet von ihrem Mann, sowie Rindsuppen. Die gibt es in Italien auch, sie werden aber etwas anders zubereitet und sind weniger salzig. "Das liegt daran, dass wir oft mit Käse salzen. Ich habe einmal versehentlich eine Frittatensuppe in Wien mit Parmesan serviert, was für verdutzte Gesichter sorgte", erzählt sie lachend.

Nicht das Rezept oder diese eine Spezialzutat seien das Wichtigste, sondern Frische, Regionalität und Saisonalität der Ware, aus der man dann ein passendes Gericht kocht. Am besten wäre es, meint Dorigato, nach Einkaufstipps in Wien gefragt, auf den Markt zu gehen und zu schauen, was gerade in guter Qualität verfügbar sei.

Auch für die Konzeption des "A modo mio"-Kochbuchs war Saisonalität ein wichtiges Kriterium. Ebenso, dass altmodische Gerichte vorkommen, beispielsweise Eingelegtes, angepasst an heutige Wohnverhältnisse mit wenig Lagerraum. Dass das Buch beim Südtiroler Verlag Raetia, der an Dorigato herangetreten ist, erscheint, trifft sich gut. Schließlich erscheint es in zwei Ausgaben, eine auf Deutsch, eine auf Italienisch. Die Rezepte sind dieselben, die Texte wurden aber an die jeweilige Zielgruppe angepasst: Denn italienische Kochinteressierte wissen schließlich, wie man Artischocken putzt oder wann der Risotto fertig ist. (Petra Eder, RONDO, 11.3.2022)


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Nachfolgend ein Rezept aus dem neuen Kochbuch

Farinata di ceci

Farinata di ceci
Foto: Alessandra Dorigato

"Von all den Geschichten, die sich in Italien ums Essen ranken, ist jene von der Farinata di ceci für mich eine der schönsten. Angeblich verdanken wir diesen köstlichen Fladen ja den Genuesen. Zwar hatten sie 1284 die Seeschlacht bei Meloria gegen Pisa gewonnen, gerieten aber auf der Heimfahrt in einen schweren Sturm. Ein Teil der geladenen Ölfässer zerbrach. Das Öl vermischte sich mit Kichererbsenmehl und eingedrungenem Salzwasser. Vom Hunger geplagt, besannen sich die Seemänner irgendwann auf diesen Brei: Die Sonne hatte ihn getrocknet – und er schmeckte ausgezeichnet."

Zubereitung

ZUTATEN

300 g Kichererbsenmehl
600 ml kaltes Wasser
80 ml Olivenöl
1 TL Salz
1 EL fein gehackter Rosmarin
Pfeffer aus der Mühle

Mehl in eine Schüssel geben. Wasser nach und nach einrühren. Die Mischung zugedeckt im Kühlschrank 2–3 Stunden ruhen lassen. Gelegentlich umrühren. Den auf der Oberfläche entstehenden Schaum abschöpfen. Dann Öl, Salz und Rosmarin untermischen.

Backofen (Ober-/Unterhitze) auf 250 °C vorheizen. Den Teig in eine mit Öl gefettete ofenfeste Kupferpfanne oder eine Tarteform (24 cm) gießen. Wichtig: Der Teig sollte etwa 5 mm hoch sein. Die Farinata auf der untersten Schiene 12 Minuten backen. Hitze auf 200 °C reduzieren und weitere 15 Minuten auf der obersten Schiene hell- bis goldbraun backen.

Sofort mit reichlich frisch gemahlenem schwarzem Pfeffer würzen, kurz abkühlen lassen, dann noch warm schneiden und als Fingerfood mit einem Glas Weißwein oder Prosecco genießen.

Tipp

Wenn du kein Kichererbsenmehl zu Hause hast, vermische einfach 500 g vorgekochte Kichererbsen mit 500 ml Wasser. Dann erreichst du eine ähnliche Konsistenz.

In ihrem Kochbuch hat Alessandra Dorigato Lieblingsfamilienrezepte gesammelt, garniert mit Geschichten zu ihrer Herkunft und Tipps zur Zubereitung. Viele davon stammen von ihrer Mamma Maria und Nonna Nina, die ihr das Kochen beibrachten. Das Buch ist ab 11.3. im Handel erhältlich.
Foto: Alessandra Dorigato

Alessandra Dorigato, "A modo mio – Lieblingsgerichte und Küchengeschichten aus Italien". 27,50 Euro. Raetia-Verlag