Medienberichte über dubiose Kundenbeziehungen setzen die von Affären geplagte Credit Suisse zusätzlich unter Druck.

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"Kriminelle als Kunden? Mega-Leak erschüttert die Credit Suisse", titelte am Montag das Boulevardblatt "Blick" über die Enthüllungen der Konkurrenz. Und die liberale "Neue Zürcher Zeitung" sieht "neues Ungemach für die Credit Suisse" aufziehen. Die Recherchen eines internationalen Medienverbunds, dem unter anderen die "Süddeutsche Zeitung", der "Guardian", die "New York Times" und die ARD-Sender WDR und NDR angehören, wonach die Credit Suisse über Jahrzehnte auch für 18.000 mutmaßlich kriminelle und korrupte Kunden Konten führte, sorgen auch in der Schweiz für Aufsehen.

Die Überraschung hielt sich freilich in Grenzen: Zum einen handelt es sich laut Credit Suisse größtenteils um alte Fälle – 90 Prozent der fraglichen Konten seien mittlerweile geschlossen worden –, zum anderen tauchen mit bestürzender Regelmäßigkeit immer neue Skandale auf, bei denen Schweizer Banken im Zentrum stehen – von den heiklen Cum-Ex-Geschäften der Basler Bank Safra Sarasin über französische Schwarzgeldkonten bei der UBS und einem mutmaßlichen Korruptionsskandal in Mosambik, in den Banker der Credit Suisse in London verwickelt waren und der dazu führte, dass der IWF dem armen Land die Wirtschaftshilfe strich und Millionen von Menschen in Mosambik noch tiefer in die Armut versanken.

Resignation

Mit einer gewissen Resignation nimmt es die Schweizer Öffentlichkeit hin, dass immer neue Skandale auftauchen; mit einer gewissen Regelmäßigkeit passt die Politik die Vorschriften an, verschärft die Finanzmarktaufsicht ihre Aktivitäten, mit der Folge, dass die Bankjuristen und Risikomanager neue Schlupflöcher finden und ausnutzen. Die Negativ-Publicity spürten auch die Aktionäre der zweitgrößten Bank des Landes, der Kurs brach vorübergehend um vier Prozent ein.

Der neueste Skandal sei kein Einzelfall, betonte im Schweizer Rundfunk SRF Martin Hilti von Transparency International, einer Organisation, die sich weltweit gegen Korruption einsetzt: "Die Vorwürfe sind zwar nicht alle neu, doch sie könnten durchaus relevant sein und allenfalls zu neuen Verfahren führen. Denn in der Schweiz gibt es seit 20 Jahren ein Gesetz gegen die Geldwäsche. Darunter könnten auch etliche dieser jetzt aufgedeckten Fälle fallen. Das muss nun gründlich aufgeklärt werden."

Bei einigen Banken sei der Risikoappetit immer noch zu groß. Doch auch außerhalb des Finanzplatzes gebe es Handlungsbedarf, meint der Korruptionsexperte. So müssten zum Beispiel auch Anwälte und Treuhänder dem Geldwäschereigesetz unterstellt werden, wie dies in der EU bereits der Fall sei. "Diese Berufsgruppen spielen eine wichtige Rolle bei der Einrichtung und Verwaltung von Sitzgesellschaften, die regelmäßig zum Verschleiern von illegalen Geldflüssen dienen", sagt Hilti in dem SRF-Interview.

Geschütztes Bankgeheimnis

Für Aufsehen sorgt in der Schweiz auch, dass sich die Journalisten des Medienhauses Tamedia diesmal nicht an den gemeinsamen Recherchen des Netzwerks beteiligten, obwohl sie sonst öfter mitarbeiten. Hintergrund ist, dass ein Artikel im Schweizer Strafrecht das Bankgeheimnis schützt und die Veröffentlichung von Bankdaten mit schweren Sanktionen verhindert.

Dies, obwohl – oder gerade weil – hartnäckige Journalisten in früheren Jahren mehrere Schweizer Bankskandale aufdeckten. Diesmal aber mussten sie diese Recherchen ausländischen Kollegen überlassen. Der Chefredakteur der Tamedia-Zeitungen, Arthur Rutishauser, fordert deshalb: "Der Maulkorb-Artikel im Bankengesetz gehört dringend abgeschafft."

Abschaffung gefordert

Die Schweizer Finanzmarktaufsicht steht wegen der Vorwürfe auch in Kontakt mit der Credit Suisse. Wie üblich äußere sich die Behörde aber nicht zu Medienberichten.

Bereits am Montag haben Sozialdemokraten und Grüne parlamentarische Vorstöße zur Abschaffung des Artikels angekündigt. Die Europäische Volkspartei (EVP) forderte eine Überprüfung der Bankpraktiken und die mögliche Aufnahme des Landes in die schwarze Liste der EU von Ländern mit hohem Geldwäsche-Risiko. (Klaus Bonanomi aus Bern, 22.2.2022)