Michael Linhart muss sich nun auch offiziell für Berlin bewerben.

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Ungewöhnlich zerknirscht blickte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Sonntagabend von Brüssel aus in die Zeit im Bild-Kamera – und das nicht nur des sich stetig zuspitzenden Ukraine-Konflikts wegen, sondern auch, weil Österreichs Chefdiplomat im eigenen Haus mit Unruhe zu kämpfen hat: Eine der prestigeträchtigsten Positionen, die das Ministerium am Wiener Minoritenplatz zu vergeben hat, muss wegen Unstimmigkeiten beim Bewerbungsverfahren neu ausgeschrieben werden.

Ein FPÖ-Abgeordneter hatte Schallenberg zuvor in einer parlamentarischen Anfrage vorgeworfen, Kurzzeit-Außenminister Michael Linhart, seinen Wunschkandidaten als österreichischen Botschafter in Berlin, an der offiziellen Ausschreibung vorbei durchdrücken zu wollen. Zwar hatten sich 14 Kandidatinnen und Kandidaten für den Dienstantritt im futuristisch anmutenden Botschaftsgebäude an der Berliner Stauffenbergstraße beworben. Am Ende sollte nach dem Willen des Ministers aber ausgerechnet der Vorarlberger Spitzendiplomat zum Zug kommen, obwohl dessen Name gar nicht auf der Bewerberliste stand.

Offenes Geheimnis

Dass man für den Karrierediplomaten nach seiner nur 56 Tage währenden Amtszeit als Außenminister einen geeigneten Botschafterposten suchte, war kein Geheimnis. Fachlich gilt Linhart, der zuvor unter anderem die Botschaft in Paris leitete und – bis er von FPÖ-Ressortchefin Karin Kneissl ausgebremst wurde – als Generalsekretär im Außenministerium fungierte, als äußerst qualifiziert.

Dass es Berlin – neben Paris eine der bedeutendsten Botschaften Österreichs – werden sollte, wurde ebenso früh kolportiert. Wegen der "herausragenden Leistungen Linharts" habe er im Dezember den kurzen Dienstweg gewählt, um seinen Vorgänger als Außenminister in Berlin als Botschafter zu installieren, erklärte Schallenberg. Auch Bundesregierung und Ministerrat hätten Linharts Umzug an die Spree bereits zugestimmt.

Um die Personalie durchzusetzen, bediente man sich schließlich eines mittlerweile veralteten Passus, der in der Ausschreibung festhielt, dass der Job auch an eine Person gehen könne, die sich gar nicht beworben hat – eine Option, die nach Schallenbergs Worten zwar "seit Jahren, so lange ich denken kann" üblich war, die dem gültigen Ausschreibungsgesetz aber widerspricht, wie der Minister von Brüssel aus im ORF selbst einräumte: "Das war ein Fehler, den ich wahnsinnig bedaure."

An der Qualifikation Linharts ändere der Formfehler nichts, trotzdem müsse sich dieser nun für den Posten offiziell bewerben, sagte Schallenberg. "Wir werden jetzt aber eine völlig neue, richtige Bewerbung und Ausschreibung machen, denn das muss natürlich alles seine Richtigkeit haben."

Dass es auch bei anderen Bestellungen zu Ungereimtheiten gekommen ist, wollte eine Sprecherin des Außenministeriums am Montag auf STANDARD-Anfrage ausschließen. Die Causa Linhart sei ein "Spezialfall", alle anderen Botschafterposten seien korrekt ausgeschrieben worden. Und auch nun bemühe man sich um rasche Korrektur: "Fehler erkannt, Fehler gebannt."

Flexibler Diplomat

Linhart, der für sein Kurzzeit-Ministeramt seinen Botschafterposten in Paris aufgegeben hatte, sagte der APA im Dezember, er freue sich auf "eine neue Herausforderung" in Berlin. Es liege Diplomaten in den Genen, "dass man rasch den Posten wechselt und dort den Einsatz macht, wo man gebraucht wird".

Nun muss er noch seine Bewerbungsunterlagen an den Minoritenplatz übermitteln – und sich dann ein paar Wochen in Geduld üben. Denn dass jemand anderer als der Vorarlberger dem Tiroler Peter Huber im März in Berlin nachfolgt, gilt allen Turbulenzen zum Trotz als so gut wie ausgeschlossen. (Florian Niederndorfer, 21.2.2022)