Lang vermisst: Der sensationelle Blick auf die Jerusalemer Altstadt.

Foto: Photo by AHMAD GHARABLI / AFP

"Die roten Nasen sind wieder da", sagt Moussa und strahlt. Die Freude des Souvenirverkäufers am Jerusalemer Jaffa-Tor gilt den Urlaubenden aus Europa, die nun endlich wieder ins Land kommen und denen ihr Sonnenhunger oft schon am zweiten Reisetag ins Gesicht gemalt ist. Moussa bietet ihnen Halstücher und Stoffhüte an, Eiskaffee und Feuerzeuge. All die Dinge, die zwei Jahre lang in Kisten lagerten, um auf ein Ende der Pandemie zu warten.

Diese dauert zwar auch hier noch an, gelockert wird aber auch in Israel. Ab 1. März dürfen sogar Ungeimpfte wieder einreisen, ohne tagelange Quarantäne. Die geimpften und genesenen Touristen kommen schon jetzt.

Auch viele Österreicherinnen und Österreicher

Jerusalem, die Heilige Stadt dreier Weltregionen, hat nun auch ihre Pilger wieder. Im Österreichischen Hospiz, das einen Hauch k. u. k. Monarchie mitten im islamischen Viertel der Altstadt ausstrahlt, quartieren sich auch Pilgergruppen aus Österreich gerne ein.

Eine Gruppe aus Osttirol etwa hat hier vier Tage lang Station gemacht, um sich auf den Spuren von Jesus durch Israel und Palästina zu bewegen. Fast zwei Jahre lang konnten solche Reisen nicht stattfinden. Bis es wieder richtig losgeht, dürfte aber noch einige Zeit vergehen: Organisierte Pilgerreisen brauchen eine Vorlaufzeit von mindestens einem halben Jahr, sagt Andreas Kickinger, Geschäftsführer des Klosterneuburger Veranstalters Biblische Reisen. Die 32 Gläubigen aus Nord- und Osttirol waren die erste Bibelreisengruppe aus Österreich. Neben Jerusalem und Umgebung standen Stopps in Galiläa und an der Mittelmeerküste auf dem Programm.

Der Unterschied zwischen Pilgerreisen anno 2019 und 2022 sei frappant, sagt Kickinger: "Damals beklagten sich alle über Overtourism." Heute hingegen ist Schlangestehen die Ausnahme. "Unsere Gruppe war zwanzig Minuten lang allein in der Grotte", erzählt Kickinger. "Das habe ich in den vergangenen 30 Jahren kein einziges Mal erlebt."

Wiener Apfelstrudel

Immer noch trifft man in der Jerusalemer Altstadt mindestens so viele Locals wie Touristen. Palästinensische Frauen breiten auf dem Boden Kräuter und Gemüse zum Verkauf an, Schulkinder holen sich beim Süßwarenhändler ein Eis. Im Café Triest im Österreichischen Hospiz sind immer noch viele der Gäste keine Europäer, sondern Israelis, die auf einen Apfelstrudel vorbeikommen.

Während der Lockdowns war das Hospiz für einige von ihnen eine Art Sehnsuchtsort: "Viele Israelis haben Reisen nach Europa vermisst und sich bei uns ein Stück Europa geholt."

Früher oder später werden die Menschenmassen wieder zurück nach Jerusalem kommen. Dass die Gruppenreisen sofort wieder auf ein Prä-Epidemie-Niveau anziehen, ist aber unwahrscheinlich. Viele Länder stecken noch in der Omikron-Welle, weitere Virusvarianten werden kommen. Viele sind beim Reisen vorsichtiger geworden. "Das Reisen in der Gruppe widerspricht dem Prinzip, das wir zwei Jahre lang eingelernt haben: ‚Menschenmengen sind gefährlich!‘", meint Kickinger. Von den 32 Osttirolern seien übrigens alle während und nach der Reise gesund geblieben.

Im Österreichischen Hospiz, das während der Pandemie nur zeitweise sein Kaffeehaus öffnen durfte, die zwei Gästetrakte aber stets geschlossen halten musste, hat die Tourismusflaute finanzielle Spuren hinterlassen. Es werde wohl mindestens zwei weitere Jahre dauern, bis sich der Betrieb davon erholt hat, sagt Gästehausmanager Lucas Maier zum STANDARD. Denn die Pandemie kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Kurz zuvor war ein neues Gästehaus im Hinterhof gebaut worden, um den Tourismusrekord 2019 zu bewältigen. Ab März 2020 wurden dann alle Buchungen storniert, die Einnahmen blieben aus. Das Hospiz, das nicht gewinnorientiert arbeitet und seine Überschüsse an Sozialprojekte spendet, war plötzlich selbst auf Spenden angewiesen.

Ausgebucht für Osterwoche

Die Osttiroler Gruppe war nun die erste große Buchung seit zwei Jahren, eine Wiener Studentengruppe folgte nach. Für die Osterwoche sei man bereits ausgebucht, sagt Maier.

Da sich diesmal das christliche Ostern mit dem islamischen Fastenmonat Ramadan und dem jüdischen Pessachfest überschneiden, dürfte die Jerusalemer Altstadt Mitte April wieder in ihren "Naturzustand" kommen: ein Gedränge aus Menschen aus allen Gegenden der Welt, die sich durch ein Spalier von Händlern und Essständen schieben. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 21.2.2022)