Österreichs Wirtschaft wird erst 2022 das Vorkrisenniveau erreichen

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Es war eine der Lieblingsgeschichten von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Österreich sei besser durch die Krise gekommen als andere Länder, verkündete er schon wenige Monate nach Beginn der Pandemie – nicht nur was die Zahl der Toten betrifft, sondern auch was die wirtschaftliche Entwicklung anbelangt.

Abgerechnet wird bekanntlich aber erst zum Schluss. Bei der Zahl der Todesopfer liegt Österreich in Europa aktuell im besseren Mittelfeld, auch wenn Staaten wie Deutschland, die Schweiz oder Schweden laut der Website "Our World in Data" weniger Opfer im Verhältnis zur Bevölkerungszahl zu beklagen hatten. Bei der Zahl der Lockdowns und der wirtschaftlichen Entwicklung sieht es anders aus: Hier ist Österreich deutlich abgeschlagen.

Das zeigt auch eine am Montag veröffentlichte Auswertung durch den arbeitgebernahen Thinktank Agenda Austria. "Die Erholung von der Corona-Krise verläuft in Österreich deutlich schleppender als in den meisten anderen EU-Staaten", heißt es in der kurzen Analyse.

So dürfte Österreichs reales Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vergangenen Jahr noch 2,3 Prozent unter dem Niveau von 2019 gelegen sein. Erst im Lauf des heurigen Jahres soll die Wirtschaftsleistung wieder das Niveau von vor der Pandemie erreichen. Dabei gibt es bereits eine Reihe von Ländern, darunter Luxemburg, Schweden oder Dänemark, die schon 2021 das Vorkrisenniveau übertroffen haben. Ein Blick auf die Auswertung zeigt, dass 2021 überhaupt nur fünf Staaten, darunter Spanien und Tschechien, so schlecht dagestanden sind wie Österreich. Nur in diesen Ländern war die Lücke zur Wirtschaftsleistung von vor der Krise noch größer.

Im Schlussfeld

Warum die großen Unterschiede? Ein Faktor ist laut Agenda Austria die Abhängigkeit vom Wintertourismus. In der Pandemie sind im Winter kaum Gäste gekommen. Dazu kommt wohl die negative Auswirkung der Lockdowns. Im Herbst 2021 haben nur noch sehr wenige Länder in Europa auf solch drastische Maßnahmen zurückgegriffen wie Österreich.

Die Auswirkungen der Pandemie auf die österreichische Wirtschaft zeigen sich auch im Außenhandel deutlich. Zum ersten Mal seit 20 Jahren ist die österreichische Leistungsbilanz negativ gewesen, ergab eine Hochrechnung der Experten vom Kompetenzzentrum Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft (FIW). Das Leistungsbilanzdefizit betrug 2021 stolze 3,2 Milliarden Euro.

Ein Leistungsbilanzdefizit bedeutet, dass eine Volkswirtschaft aus dem Verkauf von Gütern und Dienstleistungen nicht so viel Geld einnimmt, wie sie für den Import ebendieser aufwendet. Dabei werden auch bestimmte Kapitalflüsse wie Auslandsüberweisungen berücksichtigt. Ein hohes Leistungsbilanzdefizit kann für Staaten zu einem Problem werden, weil die laufende Differenz aus Ausgaben und Einnahmen irgendwie finanziert werden muss.

Geschieht das über Kredite aus dem Ausland, verschuldet sich ein Land mehr und mehr. Solange diese Kredite sprudeln, ist das kein großes Problem. Doch endet dieser Geldfluss, kann das Kartenhaus zusammenbrechen. Genau diese Konstellation hat die Schuldenkrise in Griechenland mit ausgelöst.

Im Fall Österreichs kann aber keine Rede davon sein. Denn schon im kommenden Jahr prognostizieren die Ökonomen wieder einen Leistungsbilanzüberschuss von 3,5 Milliarden Euro.

Wintertourismus leidet

Dass Österreichs traditionell positive Leistungsbilanz überhaupt negativ geworden ist, hat mehrere Gründe. So sind die Importe stark gestiegen, etwas stärker als Exporte. Das liegt laut Harald Oberhofer, Ökonom an der Wirtschaftsuni Wien, daran, dass die heimische Industrie unter Lieferengpässen gelitten hat und daher die Exporte zuletzt nicht mehr so dynamisch gewachsen sind. Die Nachfrage nach Waren aller Art war, von Kühlschränken bis TV-Geräten, war aber ungebrochen. Relevanter ist jedoch der erwähnte Einbruch im Wintertourismus.

Die Ausgaben der ausländischen Touristen in Österreich werden als Dienstleistungsexporte verbucht. Weil pandemiebedingt weniger Touristen gekommen sind, brachen 2021 die Dienstleistungsexporte um 25 Prozent ein. Das hat stark auf die Leistungsbilanz durchgeschlagen.

Wenn Anfang März auch die wenigen noch verbliebenen Corona-Auflagen fallen werden, dürfte die Normalisierung im Wirtschaftsleben voranschreiten. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) betonte am Montag, dass die meisten Corona-Wirtschaftshilfen wie geplant Ende März auslaufen und nicht verlängert werden, etwa der Ausfallbonus.

Branchen, die von der Pandemie besonders betroffen seien, etwa Stadthotellerie, Nachtgastronomie und Luftfahrt, sollen aber weiter von Hilfen profitieren, so Brunner. Das Finanzministerium will das "individuell" prüfen. (András Szigetvari, 22.2.2022)