Ellbogen- und Brustschutz für den täglichen Beauty-Kampf, den Frauen kämpfen müssen.

Foto: AFP/PIERRE VERDY

Linda Evangelista gehörte zu den Supermodels der 1990er-Jahre. Neben Naomi Campbell, Claudia Schiffer, Cindy Crawford, Christy Turlington und noch einigen mehr prägte sie für viele Jahre die horrend hohen Anforderungen an das Aussehen von Frauen und daran, was gemeinhin als sexy und begehrenswert gilt. Was für eine grenzenlose Bewunderung von Schönheit das damals war, die Frauen einmal mehr in der Geschichte des Patriarchats einhämmerte, dass ihr Wert eng mit ihrem Äußeren zusammenhängt. Die Abermillionen verdienenden Supermodels der 1990er-Jahre waren hierfür schon fast plumpe Symbolik.

Aber machen wir uns nichts vor: Die rigiden Schönheitsanforderungen sind nicht weniger geworden. Ein paar alternative Tiktok- oder Instagram-Accounts, die auf konventionelle Frauenbilder pfeifen und diversere Körper pushen, ändern leider noch nichts daran, dass die an die Stelle der Supermodels getretenen Influencerinnen grosso modo alle so aussehen wie die 25-jährige Influencerin Pamela Reif: durchtrainierter Körper, volle Lippen, hohe Wangenknochen, Wallemähne.

Doch zurück zu Linda Evangelista, die vor kurzem die Folgen einer verpfuschten Schönheits-OP öffentlich gemacht hat. Das Ex-Model unterzog sich einer Methode zur Fettreduktion. Doch anstatt die unerwünschten Stellen zu minieren, wurden sie durch die Behandlung größer. Fünf Jahre hat sich die tausendfach als absolute Beauty inszenierte Evangelista deswegen regelrecht versteckt. Die misslungene Schönheits-OP habe sie "brutal entstellt", sagt sie nun. Im "People"-Magazin sprach die heute 56-Jährige über ihre "physischen und emotionalen" Leiden, wie das Magazin die Story auf Instagram bewirbt.

Nun, für ein ehemaliges Supermodel ist in Schönheitsdingen die Fallhöhe natürlich besonders groß. Doch egal, ob es durch Alterung passiert oder relativ plötzlich durch eine Operation, die eben genau diesen Alterungsprozess hätte bremsen sollen, klar ist: Irgendwann ist sie nicht mehr da. diese Schönheit jedenfalls, mit der Frauen Unsummen durch Werbeetats, Mode- und Schönheitsindustrie verdienen, damit wiederum andere Frauen möglichst viel konsumieren, um auch ein kleines Stück der Anerkennung zu bekommen, die vor allem Frauen das Konzept Schönheit bringt.

Diese verpfuschte Schönheits-OP an einer Frau, die lange als perfekt galt, und der Diskurs darum zeigen einmal mehr, wie knallhart Frauen auf ihr Äußeres reduziert werden und wie ihnen das in Fleisch und Blut übergeht. Einerseits. Andererseits zeigt es auch, wie trotzdem von ihnen verlangt wird, quasi von einem auf den anderen Tag mit dem Beauty-Thema plötzlich völlig gelassen umzugehen. Mustergültig bildet das die "Gala" in einem Abschnitt über Linda Evangelistas Geschichte ab. Das Magazin berichtet, dass Evangelista die Firma Cool Sculpting klagt, die den Eingriff verpfuscht haben soll, um die Heuchelei dann so richtig schön auf den Punkt zu bringen:

"So sehr ihr zu wünschen ist, dass sie recht bekommt (bezüglich ihrer Klage, Anm.), so sehr ist ihr zu wünschen, dass sie lernt, ihren Körper zu lieben – auch mit den Makeln, die der Eingriff hinterlassen hat."

Aha. "Lernen, ihren Körper zu lieben." Magazine wie diese tasten die Körper von Frauen nach jeder Veränderung ab, sie kommentieren jedes Detail an ihnen auf seine Berechtigung. Ob die Kommentare positiv oder negativ sind, ist letztlich egal. Denn sowohl das eine wie das andere wird zum Bumerang. Ist die nicht schon zu dünn? So ein süßer Babybauch! Hungert sie sich zu früh nach der Geburt wieder auf ihre alte Figur hin? Die Babypfunde wird sie wohl nicht mehr los. Diese Nase war früher doch breiter! Warum so eingefallene Wangen? Na, das war aber wohl zu viel Filler.

Schönheit als Voraussetzung

All das wirkt letztlich auf alle Frauen und nicht nur auf jene mit Starstatus. Allen wird damit vermittelt, welch wichtige Kategorie das Aussehen für Frauen ist. Und dann, plötzlich, sollen sie das alles vergessen und bitte schön "in Würde" altern, wie es so schön heißt. Viele fühlen sich dann ganz feministisch, wenn sie kopfschüttelnd "übermäßige" Schönheits-OPs kommentieren und bedauern, dass diese Frauen offenbar nicht stark genug waren, sich dem Schönheitsdruck zu widersetzen. So wie etwa bei Madonna, die man ja kaum wiedererkenne. Wie tragisch.

Dabei ist es doch nur die konsequente Fortsetzung der Praxis, Schönheit bei schier jeder Frau in der Öffentlichkeit als stille Grundvoraussetzung einzufordern. Sehen Sie sich nur Schauspielerinnen im Gegensatz zu Schauspielern an. Sie sind im Vergleich auch heute noch deutlich jünger und mit überdeutlich normschöneren Körpern ausgestattet.

Tragisch wird es also nicht erst, wenn es plötzlich angeblich zu viel der Schönheitsarbeit wird. Tragisch ist es schon viel früher. (Beate Hausbichler, 23.2.2022)