Die jüngsten Vorwürfe gegen die Doktorarbeit von Justizministerin Zadić wurden anonym erhoben – Folgen könnten sie trotzdem haben.
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Der Verdacht verfolgt die amtierende Justizministerin bereits seit Wochen: Alma Zadić (Grüne) soll bei ihrer 2017 auf Englisch eingereichten Doktorarbeit Passagen aus anderen Werken übernommen haben, ohne diese sauber als fremdes Gedankengut auszuweisen. Neue Vorwürfe riefen nun die Universität Wien auf den Plan. Diese will bald entscheiden, ob gegen Zadić ein Plagiatsverfahren eingeleitet wird.

Auslöser ist ein Gutachten eines "Recherchekonsortiums", dessen Mitglieder anonym bleiben wollen. Veröffentlicht wurde das Papier vom Online-Boulevard-Medium "Exxpress", das in seiner Berichterstattung immer wieder eine gewisse Nähe zu ÖVP und auch FPÖ erkennen lässt.

Das Gutachten scheint Zadićs Arbeit zum Thema "Transitional Justice in Former Yugoslavia" auf sehr aufwendige Weise durchleuchtet zu haben – entsprechend kompliziert ist es, die Vorwürfe auf Stichhaltigkeit zu überprüfen. Einiges unterliegt einem großen Interpretationsspielraum. So legt das Papier nahe, dass Zadić aus anderen Werken Gedankengänge übernommen, umformuliert und dabei auch gleich die Fußnote der Originalquelle abgekupfert habe. Genauso gut könnte die damalige Studentin aber direkt im Original Einschau gehalten und dann – weil es der Sinn gebietet – ähnliche Formulierungen gefunden haben wie der angeblich abgekupferte Autor.

Drei brisante Stellen

Abgesehen von solchen "diskussionswürdigen" Vorwürfen sieht der heimische Plagiatsjäger Stefan Weber aber drei Bereiche, in denen "eindeutige Plagiate" vorlägen. So haben die Gutachter einen (kleineren) Teil der Gliederung der Arbeit ziemlich identisch in einem anderen Werk gefunden, das Gleiche gilt für eine von zwei Forschungsfragen. Eine Fußnote fehlt an dieser Stelle. Weber fügt noch eine von ihm selbst gefundene Passage in den Schlussfolgerungen hinzu.

Weber hat, wie er selbst bestätigt, seine Meinung über Zadićs Dissertation mittlerweile gründlich geändert. Bei einer selbst vorgenommenen Prüfung 2020 stieß er auf keine Plagiate, im Jänner sprach er nach einer neuerlichen Sichtung von vier "gravierenden" Stellen, wegen derer aber sicher kein Titel aberkannt werde (DER STANDARD berichtete). Angesichts des neuen Gutachtens, das in Sachen Aufwand die Möglichkeiten von ihm und seinen Mitarbeitern übersteige, fällt er nun ein hartes Urteil: Weil das Kriterium der selbstständigen wissenschaftlichen Arbeit nicht mehr erfüllt sei, sei die Erlangung des Doktortitels über diese Dissertation "meiner Meinung nach nicht verdient".

Nur Täuschungsabsicht kann Titel kosten

Die rechtliche Bewertung ist eine andere Frage. Laut Paragraf 51 des Universitätsgesetzes liegt dann ein Plagiat vor, wenn Inhalte "ohne entsprechende Kenntlichmachung und Zitierung der Quelle" als eigene ausgegeben werden. Außerdem ist eine Täuschungsabsicht für eine Titelaberkennung Voraussetzung.

Zadić wies bereits im Jänner alle Plagiatsvorwürfe als "unseriös" zurück. Ihr Doktorvater Frank Höpfel verteidigte sie ebenso wie Ingeborg Zerbes, Vizeleiterin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wien. (Gerald John, 22.2.2022)