Direktorin Tiefenbacher mit ihren Schülerinnen und Schülern.

Heribert Corn

Die Pausenglocke klingelt, und der Lärm geht los: Die Gespräche und das Lachen dringen bis in den Schulhof. Die Stimmung in der Mittelschule Wien-Währing scheint ausgelassen. Fast macht es den Anschein, als herrsche gerade keine Pandemie, die die Welt – und lange auch die Schulen – fest im Griff hat. Nur die Masken, die die Gesichter der Kinder und Jugendlichen teils in bunten Farben bedecken, erinnern daran, dass derzeit immer noch nicht von einem ganz normalen Schulalltag gesprochen werden kann. Und auch im direkten Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern wird klar, dass sich Corona mittlerweile fest in den Köpfen verankert hat.

Neue Lockerungen in Wien

Seit Montag gibt es an den Schulen in Wien wieder eine Lockerung der Maßnahmen: Die Maskenpflicht am Sitzplatz ist gefallen, und auch bei mehreren Infektionsfällen muss künftig nicht mehr eine ganze Klasse in Quarantäne. Das sorgt bei den Schülerinnen und Schülern für Freude, erzählt der 13-jährige Zayn dem STANDARD. Gleichzeitig gibt es aber auch die Sorge, die Infektionszahlen könnten durch die neuen Maßnahmen erneut steigen, fügt er bedächtig hinzu – und er drückt sich tatsächlich so gewählt aus wie wiedergegeben.

Andere Menschen schützen

Allgemein scheinen die Schülerinnen sich der Verantwortung bewusst zu sein, die mit dem Einhalten der Corona-Maßnahmen einhergeht. "Corona bringt Gefahr – auch für meine Familie", meinte Zayn. Auch sich selbst zu schützen sei ihnen ein Anliegen, sagte Lara (14), die mit schwerem Eisenmangel kämpft und deswegen selbst einem gewissen Risiko ausgesetzt ist. "Ich gehe eigentlich gar nicht mehr hinaus – und meine Familie versucht es auch so gut wie möglich zu vermeiden", erzählt sie.Direktorin Erika Tiefenbacher meint jedoch, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler so denken. Viele würden die Maske beispielsweise bewusst falsch tragen, weil sie es lustig fänden oder die Lage allgemein nicht sehr ernst nähmen. Dem versuche man mit laufenden Gesprächen immer wieder entgegenzuwirken. Die vielen neuen Regeln und Einschränkungen würden die Schülerinnen aber nicht unbeeinflusst lassen.

Psychische Belastung

Tiefenbacher ist überzeugt: Ihren Schülerinnen und Schülern gehe es seit Beginn der Pandemie schlechter. Viele müssten auf engem Raum mit ihrer Familie zusammenleben. Aggressionen hätten "bestimmt" zugenommen, und einige hätten während des Online-Unterrichts den Anschluss verloren, erzählt sie. Es gebe an ihrer Schule eine psychologische Schülerberatung sowie eine Schulsozialarbeiterin, die "auch wirklich für die Schülerinnen und Schüler da sind", wie sie betont. Seit Pandemiebeginn hätten die beiden zusätzliche Aufgaben bekommen. Sie hätten nun mit mehreren besonders "lauten" wie besonders "leisen" Schülerinnen und Schülern zu tun. Jedes Kind reagiert anders auf diesen Ausnahmezustand. "Am Anfang waren alle überfordert", schilderte sie. Nicht alle Schülerinnen und Schüler hätten die technische Ausstattung für das Distance-Learning gehabt oder gar den Platz, um in Ruhe arbeiten zu können. Einige fühlten sich auch von ihren Freunden abgeschieden.

Studien belegen, dass die psychische Verfassung junger Menschen sich in den letzten zwei Jahren massiv verschlechtert hat. So etwa die weiterführende Studie des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit der Donauuniversität Krems: Sie untersuchte die psychische Gesundheit bei 14 bis 20-Jährigen in Österreich und kam zu dem Schluss, dass 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen unter einer mittelgradig depressiven Symptomatik leiden.

Leben mit dem Virus

Auch den Schülerinnen und Schülern der MS Währing ist es mit der Corona-Situation nicht immer gut gegangen. Lara etwa sagt, sie habe viel geweint, als sie erfahren habe, dass das Virus in Österreich angekommen sei. Zayn erzählt, er denke oft darüber nach, warum das Virus ausgerechnet jetzt ausbrechen musste, wo er jung ist. "Meine Eltern hatten eine ganz normale Kindheit. Warum genau wir?", fragt er. Philippo (11) sieht das ähnlich: Er habe viele tolle Dinge nicht erleben können, etwa Fußballturniere, die alle abgesagt wurden. Doch er habe es mittlerweile akzeptiert und lebe damit. So wie mit den Masken, die bei Philippo am Anfang Platzangst hervorgerufen hätten. "Mittlerweile spüre ich sie aber gar nicht mehr", sagt er.

Auf die größeren Freiheiten im März würden sich die Schülerinnen freuen. "Ich werde alles tun, was ich so lange nicht durfte", sagt Zayn mit einem Grinsen im Gesicht. Doch die lockereren Maßnahmen seien nicht nur gut, sondern hätten auch eine schlechte Seite: Die Infektionszahlen würden bestimmt wieder steigen. "Ich bin mir sicher, es wird wieder strengere Maßnahmen geben. Ein Lockdown wird kommen, und auch die Maskenpflicht. Vielleicht wird Corona auch nie vorbei sein", meint Zayn. Der hoffnungsvolle Blick in die Zukunft bleibt hier vorläufig aus – derweil dominiert im Schulhof aber noch das Lachen. (Sarah Maria Kirchmayer, 24.2.2022)