Sorgte für ein großes mediales Echo: Karin Kneissls Tanz mit und anschließender Knicks vor Wladimir Putin.

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Seit Jahren wird das Verhältnis Österreichs zu Russland kritisch beäugt. Der bisherige Höhepunkt dessen war wohl erreicht, als Ex-Außenministerin Karin Kneissl bei ihrer Hochzeit nicht nur mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin tanzte, sondern sich im Anschluss noch dazu vor ihm hinkniete. Bis heute unterhält Kneissl offenbar gute Kontakte nach Russland. Sie ist nicht nur Kolumnistin beim Staatssender Russia Today (RT), sondern auch im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft, der von einem Putin-Vertrauen geleitet wird. Neben Kneissl bekleiden noch einige andere heimische Ex-Spitzenpolitiker wichtige Aufsichtsratsposten in russischen Konzernen. Wird die drohende Eskalation in der Ukraine-Krise daran etwas ändern?

Die ehemalige Diplomatin und Nahostexpertin Kneissl will mit dem STANDARD grundsätzlich nicht mehr reden. Christian Kern allerdings schon. Der ehemalige ÖBB-Manager und sozialdemokratische Ex-Kanzler sitzt seit geraumer Zeit im Aufsichtsrat der russischen Staatsbahn RZD. Er wird sein Mandat trotz des Konflikts nicht niederlegen. "Ich habe keine politische Aufgabe oder Lobbyingtätigkeit, sondern sitze dort als ehemaliger Bahnchef und Branchenkenner", sagt Kern dem STANDARD. "Bei meiner Arbeit geht es darum, das Transportwesen zu modernisieren und den Frachtverkehr zwischen Europa und Asien besser zu verbinden."

Abgesehen davon habe er nie ein Hehl daraus gemacht, dass es Gesprächsebenen mit China und Russland brauche, wo Berührungspunkte und Sichtweisen ausgelotet werden. Wie auch immer sich dieser Konflikt weiterentwickle, Russland bleibe eine Realität in Europa. "Auch in den dunkelsten Zeiten des Kalten Krieges gab es Austausch mit Moskau", sagt Kern. "Wie sich das im weiteren Eskalationsfall auswirken kann, darüber kann man zurzeit nur spekulieren. Aber natürlich thematisiere ich gegenüber meinen russischen Partnern sehr deutlich, dass die aktuelle Situation es einem schwermacht, für mehr Dialog einzutreten."

Kern: "Würde ich auch für null Euro machen"

"Was ist denn die Alternative? Dass wir jetzt wieder Mauern aufziehen, Europa teilen und aufeinander losgehen?", fragt Kern. "Russland ist eine Atommacht und das größte Land der Welt. Die größte Stadt Europas ist in Russland. Vor offener Konfrontation warne ich daher vor allem aus menschlichen, aber auch sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Gründen."

Kern will aber keinesfalls als "Russland-Versteher" in der aktuellen Situation rüberkommen. "Ich will hier niemanden reinwaschen", sagt er. "Ich sitze beispielsweise auch im Kuratorium der Austrian Chinese Business Association, habe aber ebenso Mandate bei Unternehmen in Amerika, der Schweiz, Deutschland und Israel. Je mehr Austausch es gibt, desto besser sieht man, dass es nicht nur die eigene Sichtweise gibt." Was der Ex-Kanzler auch noch betonen möchte: "Das Mandat ist für mich keine ökonomische Frage, es ist für mein Einkommen nicht wirklich relevant. Es ist einfach eine hochinteressante Aufgabe, die ich auch für null Euro machen würde."

Schüssel sieht keinen Grund für Rücktritt

Mit Wolfgang Schüssel (ÖVP) scheint ein weiterer ehemaliger Regierungschef bestens in Russland vernetzt. Schüssel ist seit einigen Jahren im Board of Directors des russischen Mineralölkonzerns Lukoil vertreten. Wie Kern wird auch er sein Mandat nicht aufgeben. Das Unternehmen sei an der Londoner Börse notiert und außerdem keine Staatsfirma, erklärt seine Sprecherin Heidi Glück. Daher gebe es auch keine Notwendigkeit, davon zurückzutreten. Seinen Aufsichtsratsjob beim größten russischen Mobilfunker MTS verlor Schüssel schon 2019.

Sein Parteikollege Hans Jörg Schelling beriet schon kurz nach seiner Ministerzeit wiederum für einige Monate den russischen Gaskonzern Gazprom hinsichtlich des vieldiskutierten Nord-Stream-2-Projekts, an dem auch die OMV beteiligt ist. "Seither gibt es kein Engagement in Russland, in welcher Form auch immer", sagt Schelling auf Nachfrage.

Im Aufsichtsrat des Dialogue of Civilizations Research Institute (DOC) sitzt wiederum der rote Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer. Dessen Gründer, Wladimir Jakunin, war Präsident der russischen Eisenbahn und gilt als Vertrauter Putins. Gusenbauer will aber seit Jahren keinen Kontakt mehr zu dem Institut haben, wie er schriftlich mitteilt. Und: "Ich habe und hatte keine Mandate in Russland."

Allerdings war Gusenbauer ein Teil der sogenannten Hapsburg Group, die einst gegen ein Honorar Stimmung für die ukrainische Regierung von Wiktor Janukowitsch machen sollte, die prorussisch eingestellt war. Gusenbauer beteuerte stets, dass er sich aus Überzeugung für eine Annäherung der Ukraine an die EU ausgesprochen und die Herkunft des Geldes nicht hinterfragt habe. (Jan Michael Marchart, 23.2.2022)