Ein neues Spoon-Album bedeutet immer zugleich eine Streicheleinheit für die deutsche Band Can. Schließlich hat sich die 1993 gegründete texanische Gruppe nach dem Can-Song Spoon benannt. Und sie verweist in ihrer Kunst immer auf die Ökonomie der deutschen Rockavantgardisten, die sie auf ihre Art ins Jetzt überführen. Nun ist es wieder einmal so weit, das zehnte Studioalbum mit dem gottlosen Titel Lucifer on the Sofa ist erschienen.

Dabei sind die fünf Mitglieder von Spoon keine haltlosen Plünderer der Altvorderen. Zwar ist ihre Ästhetik deutlich an Bands wie Can (oder Wire) geeicht, doch während diese dem klassischen Rock ’n’ Roll ja innovativ entsagt haben, ergehen Spoon sich mit voller Hingabe darin: "I got a feeling it don't come cheap / I got a feeling oh and then it got me / It took its time a-working into my soul / I got to believe it come from rock and roll / Believe it come from rock and roll."

So lautet ein manifestes Statement aus ihrem 2005 erschienenen Meisterwerk Gimme Fiction, auf dem ein anderer Minimalist des Fachs ebenfalls ausführlich Berücksichtigung fand: Lou Reed.

Erkaltet

Nun sind die meisten Can-Mitglieder bereits erkaltet, dasselbe gilt für Lou Reed, Spoon jedoch halten an ihrem knappen Rock fest. Art-Rock nennen kunstferne Amis diese Musik gerne, wohl weil Spoon brav frisierte Rocker sind und sich lieber gegenseitig auf die Zehen steigen, bevor sie ein rockistisches Solo spielen.

Spoon

Lucifer on the Sofa wurde vor Corona begonnen und irgendwann mittendrin fertiggestellt. Das unermessliche Leid zu bejammern kann man sich verkneifen – es ist 2022, und alles, was gerade erscheint, hat irgendwie mit Corona zu tun. Und auch wieder nicht.

Trockene Rocksongs

Spoon bringen auf Lucifer wieder jene Seiten in Balance, die sie so besonders machen. Denn bei aller selbst auferlegten Trockenheit besitzen sie ein ausgesuchtes Talent für poppige Melodien. Dabei ist es oft wenig mehr als eine wiederkehrende Klaviermelodie, die aus einem trockenen Rocksong einen poppigen trockenen Rocksong macht. Diese Kombination macht die Band aus – und weit davon entfernt hat sie sich nie.

Spoon

Dass damit einiges zuwege zu bringen ist, zeigt ihre erfolgreiche Karriere ebenso wie das neue Album: zehn Songs, acht davon entstammen, wenn man so will, dem bandeigenen Kanon. Doch sogar die beiden ruhigen Stücke, Astral Jacket sowie das Titelstück am Ende, beweisen, wie viel mit wenig möglich ist, so man die Fantasie dazu besitzt. Da stören auch keine Bläsersätze, vielmehr wirken sie wie Zitate, die aus großer zeitlicher Distanz im Jetzt erklingen. So als kämen sie von David Bowie oder eben Lou Reed. Womit sich der Kreis schließt. Ein schönes Album. (Karl Fluch, 22.2.2022)