Als Generalsekretär hatte Karl Nehammer die Hand an der Wahlkampfkassa der ÖVP, nun soll ein von ihm mitverantwortetes Gesetz finanzielle Exzesse verhindern.
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Lob: Das war die dominierende Reaktion auf das neue Transparenzpaket der Regierung, das illegale Parteispenden und anderen Missbrauch verhindern soll. Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker zeigte sich angetan, selbst die Opposition mochte abseits mancher Detailkritik grundsätzliches Wohlwollen nicht verbergen.

Doch nun, da der konkrete Entwurf für das neue Parteiengesetz die Runde macht, mischen sich Misstöne in den Zuspruch. Ex-Rechnungshofpräsident Franz Fiedler geht hart mit dem von ÖVP und Grünen vorgelegten Regelwerk ins Gericht. "Ich warne vor Euphorie", sagt der Jurist: Das Herzstück der Reform, die Prüfung der Parteifinanzen durch den Rechnungshof, bestehe aus einer "völlig unzureichenden Regelung".

Verkehrte Welt

Zwar bekommt der Rechnungshof im Gegensatz zum Status quo künftig direkten Einblick in die Parteikassen, doch anders als bei Behörden und Unternehmen in mehrheitlich öffentlicher Hand dürfen die Prüfer nicht nach Gutdünken vorgehen. Voraussetzung für die Einschau bei einer Partei ist ein "begründeter Verdacht" auf einen Verstoß gegen das Parteiengesetz. Diese Einschränkung sorge für "eine verkehrte Welt", sagt Fiedler, denn aus Erfahrung wisse er, dass Unregelmäßigkeiten oft erst durch Prüfung auftauchten: "Der Anschein eines korrekten Rechenschaftsberichtes kann völlig falsch sein."

Als Hürde wertet er auch das geplante Verfahren. Bevor die Prüfer an der Tür klingeln dürfen, hat die betroffene Partei Gelegenheit zur Stellungnahme. Bleiben die Meinungsverschiedenheiten bestehen, soll der Verfassungsgerichtshof (VfGH) klären – für Fiedler das nächste Problem. Das Höchstgericht könne und solle Rechtsfragen bewerten, aber niemals einschätzen, ob eine Kontrolle von Parteifinanzen inhaltlich gerechtfertigt sei.

Über Jahre könne sich solch eine Entscheidung ziehen, befürchtet der Kritiker und sieht eine nicht einmal halbe Sache: "Ein Gesetz ist immer nur so gut wie die Kontrolle. Angesichts des Entwurfs habe ich Zweifel, ob die Parteien wirklich eine objektive Prüfung wollen."

Schwerfällige Regelung?

Im Ton milder, aber in der Sache ähnlich urteilt der Anwalt Georg Krakow. Das geplante Gesetz sei zwar ein großer Fortschritt gegenüber dem Ist-Zustand, schickt das Vorstandsmitglied der NGO Transparency International Austria voraus, doch der Rechnungshof solle "rascher, früher und unkomplizierter" prüfen können: So, wie er das sonst auch darf. Krakow rechnet im Fall des Falles zwar nicht mit Jahren an Verzögerung, aber auch schon sechs Monate wären in der schnelllebigen politischen Debatte relevant – etwa wenn es um die Überschreitung der Wahlkampfkostengrenze geht. "Die geplante Regelung ist relativ schwerfällig", sagt Krakow: "Da wurde für die Parteien Schaumstoff hineingepackt."

Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer weist allerdings darauf hin, dass die Vorgangsweise jenem Vorschlag entnommen wurde, den der Rechnungshof im Herbst präsentiert hat: Sowohl die Voraussetzung konkreter Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten als auch die Rolle des Verfassungsgerichtshofs waren dort vorgesehen.

Hubert Sickinger bringt mehr Verständnis für die Regelung auf als Fiedler und Krakow. Bei den Urhebern sei wohl die Furcht umgegangen, dass ein sehr parteiischer Rechnungshofpräsident die neuen Kompetenzen irgendwann ausnützen könnte, sagt der Politologe. Parteien seien nun einmal keine staatlichen Organe wie eine Behörde, außerdem werde es der Rechnungshof nicht schwerhaben, Verdachtsmomente zu finden. Allein die Wahlwerbungsberichte, in denen Parteien laut Entwurf bis spätestens sechs Monate nach der Wahl alle Kampagnenkosten offenlegen müssen, würden bestimmt Anhaltspunkte liefern.

Spenden an den Bürgermeister

Apropos Ausgaben: Als entscheidende Errungenschaften im geplanten Gesetz hebt Sickinger die Rechenschaftspflicht der Parteien über Vermögen und Schulden sowie die verschärften Strafen hervor. Für wichtig hält er auch, dass Spenden an Parteien künftig bereits ab 500 statt 2.500 Euro öffentlich gemacht werden müssen: "In einer Gemeinde ist es eine relevante Information, wenn ein Projektwerber dem Bürgermeister 2.000 Euro spendet."

Dass all die Regeln konsequenter als bisher auch parteinahe Organisationen und Personenkomitees umfassen sollen, hält der Transparenzwächter Krakow für eine zentrale Verbesserung. Prinzip: Die Definition stellt nicht mehr allein auf formelle Verbindungen wie die Statuten ab, sondern auch auf inhaltliche Kriterien.

Trotz der Kritik an der gebremsten Rechnungshofprüfung landet letztlich auch Krakow bei Lob: "Man sieht dem Entwurf den Willen zu strengen und klaren Regeln an." (Gerald John, 23.2.2022)