Symbolbild "Freiheit für Vogelflügel": Die Flötenkrähenstare, die als Probanden dienten, ähneln entfernt der hier gezeigten Elster, sind aber nicht sehr eng mit ihr verwandt. Dennoch werden sie als Australian Magpie bezeichnet.
Foto: imago/blickwinkel/Kaminski

Im Forschungsalltag kann es immer wieder zu Überraschungen kommen. Manchmal wird das Studienobjekt einfach unterschätzt, wie eine Tierökologin in Australien beschreibt: Dominique Potvin wollte mit ihrem Team Flötenkrähenstare erforschen und stattete sie mit Ortungsgeräten aus. Die Stare machten ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung und befreiten sich mit gegenseitiger Hilfe von dem Ballast.

Für ein Pilotprojekt hatten die Forschenden der University of the Sunshine Coast in der Nähe von Brisbane zuvor winzige, rucksackähnliche Geräte an den Vögeln angebracht, um mehr über ihre Bewegungsprofile und ihr Sozialverhalten zu erfahren. Mit einem Gewicht von nur einem Gramm waren sie auch darauf ausgelegt, die Tiere möglichst wenig zu beeinträchtigen. Doch diese spielten trotzdem nicht mit. "Stattdessen überlisteten uns die Vögel", schreibt Potvin im Onlinemedium "The Conversation".

Flötenkrähenstare – oder "australische Elstern" – können durchaus verspieltes Verhalten an den Tag legen.
The Magpie Whisperer

Der Flötenkrähenstar (Gymnorhina tibicen) hat auf Englisch einen etwas weniger sperrigen Namen, nämlich Australian Magpie, also Australische Elster. Sein schwarz-weißes Gefieder erinnert durchaus an Elstern (Pica pica), eng verwandt sind die Arten allerdings nicht. Ihre Problemlösungskompetenz ist offenbar aber durchaus mit anderen Vögeln der Unterfamilie der Rabenartigen vergleichbar, wie die (versuchte) Studie zeigt. Das Team veröffentlichte einen Bericht über ihr hilfsbereites Verhalten auch im Fachblatt "Australian Field Ornithology" der Organisation Birdlife Australia.

Neu entwickeltes Geschirr

Nachdem die Ortungsgeräterucksäcke an fünf Staren angebracht worden waren, taten sich die Tiere schnell zusammen, um das Problem altruistisch oder in Erwartung gegenseitiger Gruppenhilfeleistung – "tit for tat", also "wie du mir, so ich dir" – zu lösen. "Zehn Minuten nach dem Anbringen des letzten Trackers sahen wir, wie ein erwachsenes Weibchen ohne Tracker mit seinem Schnabel versuchte, das Gerät eines jüngeren Vogels zu entfernen", schreibt Potvin.

Schon nach wenigen Stunden gelang es der Gruppe, beinahe bei allen Staren das Gerät zu demontieren. Das dominante Männchen dieser Gruppe wurde erst am dritten Tag von dem Ballast befreit. Durch das geringe Gewicht und einen komplizierten Öffnungsmechanismus hätte dies verhindert werden sollen, der Rucksack wurde dafür neu entwickelt.

Das Ortungsgerät, das an fünf Vögeln befestigt worden war, wiegt weniger als ein Gramm. Herumtragen wollten es die Tiere trotzdem nicht.
Foto: Dominique Potvin

Gerade für kleine und mittelgroße Vögel ist es nicht trivial, passende Tracker und das "Geschirr" dazu zu kreieren. Sie dürfen nicht zu schwer sein, sollen aber gleichzeitig genügend Kapazitäten haben, um Daten aufzunehmen und eine Weile in Betrieb zu sein. Dafür nutzte das Forschungsteam ein praktisches Ortungsgerät: Die Vögel waren darauf trainiert worden, bei einer Fütterungsstation vorbeizuschauen, an der die Geräte kabellos aufgeladen sowie Daten heruntergeladen werden konnten.

Nur kurzfristige Erkenntnisse über Sozialverhalten

Diese Daten sollten zeigen, in welchem Raum sich die Stare bewegen und ob sie bevorzugte Routen haben. Auch über ihr Sozialverhalten hätten sie Aufschluss geben sollen: Wer verbringt Zeit mit wem, und wie beeinflussen Alter, Geschlecht und Dominanz die Interaktionen und Tätigkeiten?

So hätte das Geschirr eigentlich entfernt werden sollen: Ist ein spezieller Magnet in der Nähe, lässt es sich leicht abstreifen.
Bild: Crampton et al. 2022, Australian Field Ornithology

Die Minirucksäcke sollten eigentlich nur mit einem speziellen Magneten entfernt werden können – "oder mit einer wirklich guten Schere", schreibt Potvin. Gespannt darauf, ob das Konzept funktionieren würde, bestückten sie fünf Tiere mit Gerät und Geschirr – nur um durch deren Geschicklichkeit und Kooperation gezeigt zu bekommen, dass der Rucksack doch nicht so gut funktioniert wie erwartet.

Einer für alle?

"Wir hätten nie gedacht, dass die Vögel den Tracker als eine Art Parasit wahrnehmen könnten, der entfernt werden muss", meint Potvin. Damit überlisteten die klugen Vögel nicht nur den Mechanismus, sondern überraschten das Forschungsteam mit einem völlig unbekannten Sozialverhalten, das bei Vögeln sehr selten vorkomme.

"Wir wissen zwar, dass diese Vögel intelligente und soziale Wesen sind, aber dies war das erste Mal, dass wir diese Art von scheinbar altruistischem Verhalten erlebt haben: einem anderen Mitglied der Gruppe zu helfen, ohne eine sofortige, greifbare Belohnung zu erhalten", betonte Potvin. Noch unklar sei, ob ein einziger Vogel allen anderen geholfen habe oder ob sich die Gruppe die Aufgabe der Tracker-Demontage geteilt habe. (sic, APA, 23.2.2022)