"Wir wollen den Verbrauchern und Unternehmen noch mehr Kontrolle darüber geben, was mit ihren Daten geschieht, indem wir klarstellen, wer zu welchen Bedingungen auf die Daten zugreifen kann", sagt Margrethe Vestager, Europäische Kommissarin für Digitales.

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Im Bestreben zur Schaffung eines digitalen europäischen Binnenmarkts wurden bereits so einige EU-Regelwerke erlassen – die DSGVO ist nur eine von ihnen. Am Mittwoch hat die EU-Kommission mit dem "Data Act" nun ein neues Regelwerk vorgestellt, das die Nutzung von in der EU generierten Daten in verschiedenen Wirtschaftszweigen regeln soll. Dabei geht es vor allem um das Internet der Dinge (IoT), von smarten Autos bis zu medizinischen Geräten, die mit dem Internet verbunden sind.

Mehr Produkte und fairere Preise

Ziel des Data Act ist es laut Angaben der EU-Kommission, "für Fairness im digitalen Umfeld zu sorgen, einen wettbewerbsfähigen Datenmarkt anzuregen, Möglichkeiten für datengesteuerte Innovationen zu eröffnen und den Zugang zu Daten für alle zu erleichtern". Neue Dienste sollen damit ebenso ermöglicht werden wie fairere Preise für Kundendienstleistungen und Reparaturen von vernetzten Gegenständen.

"Wir wollen den Verbrauchern und Unternehmen noch mehr Kontrolle darüber geben, was mit ihren Daten geschieht, indem wir klarstellen, wer zu welchen Bedingungen auf die Daten zugreifen kann", sagt dazu Margrethe Vestager, Europäische Kommissarin für Digitales: Dies sei "ein wichtiger digitaler Grundsatz, der dazu beitragen wird, eine solide und faire datengesteuerte Wirtschaft zu schaffen und die digitale Transformation bis 2030 zu steuern."

Ungenutztes Potenzial

Hintergrund dieser Überlegungen ist unter anderem, dass Daten ein "nicht rivalisierendes Gut" sind – was bedeutet: Wenn man sie teilt, dann werden sie nicht weniger. Es können also theoretisch mehrere Parteien gleichzeitig darauf zugreifen, und sie können immer wieder konsumiert werden, ohne dass die Qualität der Daten reduziert wird. So weit, so logisch. Allerdings ist es in der Praxis so, dass diverse Hersteller auf den Datenschätzen sitzen, die sie weder mit ihren eigenen Kunden noch mit anderen Unternehmen teilen.

Dass hier Potenzial liegt, beschreibt die EU-Kommission mit aktuellen Zahlen: Das Datenvolumen wächst ständig, von 33 Zettabyte im Jahr 2018 auf voraussichtlich 175 Zettabyte im Jahr 2025. Allerdings werden 80 Prozent der industriellen Daten nie genutzt. Mit dem Data Act sollen nun also die rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Probleme angegangen werden, die dazu führen, dass Daten nicht ausreichend genutzt werden. Die neuen Vorschriften sollen mehr Daten für die Wiederverwendung verfügbar machen und bis 2028 ein zusätzliches BIP in Höhe von 270 Milliarden Euro schaffen.

Chancen für kleine Unternehmen

Geplant ist laut Vorstellung der EU-Kommission nun unter anderem, dass Nutzer von vernetzten Geräten künftig den Zugang zu den entsprechenden Daten erhalten, die von ihnen generiert, aber von den Herstellern gesammelt werden. Diese Daten können die Kunden dann mit Dritten teilen, damit diese damit neue Produkte erstellen oder Dienstleistungen erbringen – ein Beispiel dafür wäre eine Autowerkstatt, die ein Auto mit den verfügbaren Daten repariert, obwohl sie kein offizieller Partnerbetrieb des jeweiligen Herstellers ist. Das würde den Markt entsprechend öffnen.

In weiterer Folge sollen damit auch kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) mehr Macht erhalten, da die großen Hersteller die Weitergabe der Daten nicht mehr verweigern dürfen. Bei Verhandlungen mit den Konzernen sollen sie so auch besser vor unfairen Bedingungen geschützt werden, die sich aus den unterschiedlichen Verhandlungspositionen ergeben. Die Kommission wird außerdem Mustervertragsklauseln entwickeln, um diese Unternehmen bei der Ausarbeitung und Aushandlung fairer Verträge über die gemeinsame Nutzung von Daten zu unterstützen.

Eingriff des Staates

Außerdem sollen öffentliche Stellen Zugriff auf die Daten bekommen und diese nutzen können, "wenn dies unter außergewöhnlichen Umständen erforderlich ist". Gemeint sind damit etwa Katastrophen und Notfälle wie Überschwemmungen und Waldbrände, aber auch "die Umsetzung eines gesetzlichen Auftrags, wenn die Daten sonst nicht verfügbar sind".

Auf der anderen Seite sollen es die neuen Vorschriften den Kunden aber auch erleichtern, zwischen verschiedenen Anbietern von Cloud-Datenverarbeitungsdiensten zu wechseln und Schutzmaßnahmen gegen unrechtmäßige Datenübertragungen einzuführen. Darüber hinaus werden mit dem Data Act bestimmte Aspekte der Datenbankrichtlinie überprüft, die in den 1990er-Jahren zum Schutz von Investitionen in die strukturierte Darstellung von Daten geschaffen wurde. Insbesondere wird laut EU-Kommission klargestellt, dass Datenbanken, die Daten von Internet-of-Things-Geräten (IoT-Geräten) und -Objekten enthalten, keinem gesonderten Rechtsschutz unterliegen sollten. Damit soll sichergestellt werden, dass sie zugänglich sind und genutzt werden können, heißt es seitens der EU-Kommission.

Reaktionen auf den Data Act

Betroffen vom Data Act sind freilich alle Unternehmen, die aktuell vernetzte Geräte anbieten. Bei Apple und Google – beide sind unter anderem im Bereich des Smart Home aktiv – läuft dazu eine Anfrage des STANDARD.

Aus der Automobilindustrie werden hingegen bereits klare Worte geäußert: "Der Data Act droht, zum Hemmschuh für die Industrie in Europa zu werden und sie in ihrer globalen Wettbewerbsfähigkeit massiv einzuschränken", sagt Branchenverbandspräsidentin Hildegard Müller zum "Handelsblatt". Europa solle "auf marktgetriebene Innovationen und freiwillige Kooperationen und Plattformen setzen".

Seitens des hiesigen Mobilitätsclubs ÖAMTC begrüßt man im Gespräch mit dem STANDARD hingegen die neuen Regeln, die sich künftig für Autofahrerinnen und Autofahrer ergeben, wünscht sich aber zugleich eine vertikale, auf die Automobilbranche zugeschnittene Präzisierung.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) begrüßte den Vorschlag. "Für die Konsumentinnen und Konsumenten und Unternehmen ergeben sich klare Vorteile: Nutzer sollen bei der Verwendung von Produkten verbesserte Kontroll- und Wahlmöglichkeiten über deren eigene Daten erhalten", sagte sie laut Aussendung. (Stefan Mey, 23.2.2022)