Mit Bach besonderes im Sinn: Francesco Piemontesi.

Konzerthaus

Der Mozart-Saal war leider keineswegs voll besetzt, doch am Ende schien jene, die da waren, ein gelöstes Glücksgefühl zu durchströmen. Als Zugaben wählte Francesco Piemontesi Schuberts Impromptu in Ges-Dur D 899/3 sowie jenes in As-Dur D 935/2 und demonstrierte damit nochmals, wie sehr er in der sensiblen, differenzierten und traditionsbewussten Kunst seiner Lehrer Alfred Brendel und Murray Perahia steht: ausgewogen, kantabel, ausdrucksstark und zurückhaltend in den dynamischen Extremen (die Schubert schreibt, aber fast niemand beim Spielen ausschöpft).

Sehr klangschön und nuanciert waren davor auch Debussys Images II, expressiv ausbalanciert und mit niemals vordringlicher, doch solider Virtuosität Rachmaninows 2. Klaviersonate. Das wirklich Spektakuläre ereignete sich aber in der ersten, ausschließlich Johann Sebastian Bach gewidmeten Programmhälfte. Dessen Cembalo- und Orgelwerke auf dem Klavier klingen oft viel zu metallisch-brillant, manchmal betulich oder verzärtelnd, grob verfremdet oder einfach nur grob.

Intelligente Programmgestaltung

Nichts davon hier, sondern enorme Stimmigkeit von jedem Detail bis zum großen dramaturgischen Bogen, den der Pianist durch einen intelligenten doppelten Kunstgriff schuf: Zum einen wählte er (wie bei seinem im Vorjahr erschienenen Album "Bach Nostalghia") fast ausschließlich Bearbeitungen von Ferruccio Busoni, aber auch Wilhelm Kempff und legitimiert damit eine interpretatorische Perspektive durch die Brille des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Zum anderen stellte er Präludium und Fuge Es-Dur in Busonis Version jeweils an den Beginn und an das Ende des ohne Unterbrechungen durchgespielten, dreiviertelstündigen Programmblocks und vermählte darin eine orgelhafte Größe des Klangs mit größtmöglicher Transparenz und Klarheit. Herrlich durchgehört auch die Farben der Stimmen in den Choralbearbeitungen "Nun komm der Heiden Heiland" sowie "Wachet auf, ruft uns die Stimme".

Beherzte Freiheit

Der einzigen Originalkomposition, dem Italienischen Konzert, näherte sich der 1983 geborene Schweizer mit einem deutlich anderem Zugang: gleichsam ohne die oben erwähnte Brille, wesentlich unmittelbarer, direkter. Auch wenn man diskutieren kann, ob der Schlusssatz – das Presto – nicht doch eine Spur zu gemächlich daher kam: Piemontesi bietet mit seiner kernig-durchartikulierten Spielweise, "cembalistischer" agogischer Freiheit und beherzten Verzierungen eine der überzeugendsten pianistischen Bach-Interpretationen seit Jahrzehnten. (Daniel Ender,23.2.2022)