Fast jeder zweite Beschäftigte in Österreich sei unzufrieden mit seiner Arbeit und würde gern seinen Job wechseln, besagt eine aktuelle Studie. In anderen Ländern, vor allem in den USA, ist es ähnlich.

Die Hauptgründe für diese Situation sind schlechte Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen, mangelnde Wertschätzung. Nicht zuletzt die Jungen haben es einfach satt, für wenig Geld zu schuften und dazu auch noch herablassend behandelt zu werden. Recht haben sie.

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat in seinem Bundesland einen Mindestlohn von 17 Euro pro Stunde im Landesdienst eingeführt. Das ist ein faires Angebot. Niemand sollte für weniger als diese Summe arbeiten müssen, egal was für eine Arbeit er oder sie leistet.

Mit Recht ist Doskozil, was immer man ihm sonst vorwerfen mag, mit dieser Reform populär geworden. Anderswo gibt es viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für ihre Leistung nicht einmal die Hälfte dieser Summe bekommen.

Die Unzufriedenheitsstudie wirft Fragen auf, die wir uns öfter stellen sollten. Was ist Arbeit wert? Wieso wird sogenannte geistige Arbeit gemeinhin als wertvoller eingeschätzt als körperliche? Warum gilt ein Büro als edlerer Arbeitsplatz als eine Werkstatt? Wieso haben Angestellte Vorteile gegenüber Arbeitern? Was ist "höhere", was ist "niedrige" Arbeit? Warum ist eine Büroangestellte etwas "Besseres" als eine Putzfrau? Und weshalb sollte ein Tankwart kein Buch lesen und eine Supermarktkraft nicht ins Konzert gehen?

Warum gilt ein Büro als edlerer Arbeitsplatz als eine Werkstatt?
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Flache Hierarchien

Es gibt Einrichtungen, die die Hierarchie von gehobener und geringgeschätzter Arbeit jetzt schon abgeschafft haben. In einem israelischen Kibbuz begegnete die Autorin vor Jahren einem hochdekorierten pensionierten General, Parlamentsabgeordneten und Gewerkschaftschef, der mit einem Wägelchen im Speisesaal herumging und die schmutzigen Teller abräumte. Genau den gleichen Job hatte in einem steirischen Nonnenkloster die Priorin, von Geburt eine Prinzessin. Beide gehörten den Leitungsgremien ihrer Institutionen an und genossen in ihrer Umgebung hohes Ansehen. Niemand kam auf die Idee, dass mühsame, schmutzige oder schwere Arbeit jemanden "gemein machen" könnte.

Man muss zugeben, dass auch in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren die Hierarchien flacher geworden sind und abschätziges Verhalten gegenüber Schlechtergestellten seltener geworden ist. Aber die Unterschiede sind immer noch viel zu groß. Die Pandemie und der Aufstand der Pflegekräfte gegen ihre Bezahlung und ihre Arbeitsbedingungen haben die Öffentlichkeit wachgerüttelt und allen klargemacht: Hier stimmt etwas nicht. Was diese Menschen leisten und was sie dafür bekommen, steht in keinem Verhältnis zueinander.

Die Pandemie wird nicht ewig dauern, und der akute Personalmangel in den Spitälern wird irgendwann einmal ein Ende haben. Aber die Grundfrage danach, wie wir Arbeit und Leistung bewerten und wie wir mit denen umgehen, die diese Arbeit leisten, wird uns auch dann noch beschäftigen. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 24.2.2022)