Nur einige Pionierpflanzen und ein paar Weinstöcke bringen etwas Grün in die Vulkansand-Wüste unter dem Pico do Fogo. Der gefährliche Vulkan ist zuletzt 2014 ausgebrochen.

Foto: Thomas Neuhold

Es ist sechs Uhr morgens und noch stockdunkel. Wir sind früh aufgebrochen, um nicht von der Mittagshitze erwischt zu werden. Vorsichtig tasten sich die Kegel der Stirnlampen durch das Dunkel, es ist noch angenehm kühl. Der Wetterbericht verspricht einen guten Tag: Der auf den Kapverden allgegenwärtige Wind bläst nur mäßig, bei Sturm wäre an eine Besteigung des Pico do Fogo – mit 2.829 Meter der höchste Berg von Cabo Verde, wie die Kapverdischen Inseln heißen – nicht zu denken: Der aufgewirbelte Lavasand würde einem die Sicht rauben, die Steinschlaggefahr wäre zu groß.

Es hat hier auch schon schwere Bergunfälle gegeben. Nicht zuletzt deshalb ist seit geraumer Zeit die Besteigung des Pico nur mehr in Begleitung eines ortskundigen Guides erlaubt; Zusatznutzen der Regelung: Damit haben die wenigen Menschen, die am Fuß des hochaktiven Vulkans leben, wenigstens ein bisschen etwas vom ohnehin nur rudimentär vorhandenen Tourismus und ein paar Escudos mehr in der Tasche.

Kaum ein Bild illustriert das harte Leben in der Vulkanlandschaft besser: Weinstockpflege am Fuß des Feuerberges Pico do Fogo.
Foto: Thomas Neuhold

Im Unterschied zu den touristisch voll ausgebauten Inseln Boa Vista und Sal, die regelmäßig von großen Chartergesellschaften angeflogen werden und wo sich neben Badegästen auch jede Menge Windsurfer und andere Wassersportlerinnen tummeln, ist auf den anderen Inseln die touristische Infrastruktur nur schwach entwickelt. Auf der Insel Fogo, wo der Pico die Hauptattraktion ist, gibt es fast keine Badegelegenheit, auch auf der Wanderinsel Santo Antão sind die Badestrände rar gesät. Insgesamt sind neun Inseln der Kapverden bewohnt, rund zwei Drittel der etwa 500.000 Einwohner leben auf der Hauptinsel Santiago, auf Fogo knapp 40.000.

Unser Begleiter ist Fernando, ein Urgestein der Pico-Guides. Fernando betreibt auch die kleine Casa Fernando am Fuß des Berges, ein beliebter Ausgangspunkt für eine Besteigung. Und er ist einer jener 300 Menschen, die nach dem verheerenden Ausbruch von 2014 wieder an den Pico zurückgekehrt sind. Damals wurden ganze Dörfer von der Lava ausgelöscht. Auch Fernandos Haus wurde teilweise zerstört. Er hat die erkaltete Lava mit Hammer und Meisl aus dem Küchenbereich wieder herausgebrochen und gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Rita wieder von vorne begonnen.

Beim Ausbruch des Pico do Fogo 2014 walzte die Lava alles nieder, was sich ihr in den Weg stellte. Die Überbleibsel der Katastrophe sind heute noch zu sehen.
Foto: Thomas Neuhold

Inzwischen ist es hell geworden, der Aufstieg ist einfacher als gedacht. Dort, wo wir aus der Ferne knöcheltiefen Lavasand vermuteten, ist der Weg über eine Felsrippe angelegt. Wir kommen rasch voran und stehen nach etwa 1.200 Höhenmetern und rund dreieinhalb Stunden am Kraterrand des mächtigen Vulkans. Der Wind bläst nun heftiger, aber die Sonne wärmt. Es stinkt nach Schwefel, an allen Ecken und Enden zeigen uns dampfende Fumarolen, dass wir direkt über einer mächtigen Magmakammer stehen.

Die eigentliche Überraschung ist aber der Gipfelaufbau. Etwa 70 Meter türmt sich der Gipfelfelsen auf, wir befinden uns im Absturzgelände. Hier ist Schwindelfreiheit und absolute Trittsicherheit gefragt, auch wenn der Anstieg wie auch die Runde am Kraterrand um das etwa einen Kilometer umfassende Kraterbecken mit einem soliden Stahlseil gesichert ist.

Ein starkes Stahlseil sichert die letzten Meter vor dem Gipfel. Klettersteigbewertung: A/B.
Foto: Thomas Neuhold

In diesem Gelände sind trockene Verhältnisse Voraussetzung, diese aber sind auf den Kapverden praktisch immer gegeben. Die Inselgruppe vor der Westküste Afrikas gehört zur Sahelzone, es regnet selten, besser gesagt: sehr selten. Die Wasserknappheit ist eines der großen Probleme. Auch in der Casa Fernando gibt es nur Zisternenwasser, Duschen fehlen genauso wie funktionierende WC-Spülungen.

Wasser ist ein knappes Gut auf den Kapverdischen Inseln. Im Bild die Wüstenlandschaft auf der Insel Sal.
Foto: Thomas Neuhold

Nach dem Gipfelgang heißt es dann entlang des Kraterrandes auf die andere Seite zu wechseln. Und hier die nächste Überraschung: Anfangs geht es zwar noch etwas holprig und mühsam steile Geröllfelder hinab, dann aber folgt die beschwingte "Abfahrt" über gut 450 Höhenmeter feinsten Lavasand.

"Tiefschneeabfahrt" auf Lavasand.
Foto: Thomas Neuhold

Gute Skifahrer und -fahrerinnen sind jetzt eindeutig im Vorteil. Es ist, als ob wir schnurstracks in jenen Krater hineinlaufen, der 2014 so viel Unheil über die Gegend gebracht hat. Unten angekommen knirscht der feine Sand zwischen den Zähnen, Augen und Ohren sind verklebt. Eine Stunde noch flach an die andere Bergseite zurück, und dann gibt es das erste Bier in der Casa Fernando, um die trockenen Kehlen durchzuspülen. (Thomas Neuhold, 28.2.2022)