Fehlerfrei sind die Tools auch nicht: So könnten Kriegsschiffe absichtlich falsche Standortdaten veröffentlichen.

Foto: 2009 Northrop Grumman Shipbuilding

Der Krieg in der Ukraine wirft auch die Frage auf, wie Spionage und Kriegsführung im 21. Jahrhundert gestaltet sind – und ein besonders Augenmerk fiel dabei zuletzt auf das Thema Open-Source-Intelligence (Osint). So wurde in einem Artikel des "Economist" ausführlich dargelegt, wie russische Truppenbewegungen mit digitalen Tools nachvollziehbar sind – genutzt werden dabei neben Satellitenbildern auch Postings in sozialen Medien, in diesem Fall etwa Dashcam-Videos russischer Autos, die auf Tiktok veröffentlicht wurden.

Osint für Staaten, Unternehmen und Privatpersonen

Das Prinzip von Osint ist nicht neu. Grob gesagt handelt es sich dabei um einen Begriff aus der Welt der Nachrichtendienste, der die Vorgangsweise beschreibt, Informationen aus frei verfügbaren Quellen zu sammeln – mit dem Begriff der Open-Source-Software hat Osint nichts zu tun. Traditionell werden dabei frei zugängliche Massenmedien wie Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen genutzt, durch den Siegeszug des World Wide Web nimmt die Vorgehensweise jedoch gänzlich neue Dimensionen an.

So ist Osint einerseits ein essenzieller Bestandteil der Arbeit staatlicher Nachrichtendienste. Andererseits listete das Fachmedium "Computerwelt" im November diverse Tools auf, mit denen Unternehmen ihr eigenes Geschäft und das ihrer Mitbewerber evaluieren können – dabei geht es unter anderem um das Ausfindigmachen von IT-Schwachstellen oder auch um das Transparentmachen von Verbindungen zwischen einzelnen Akteuren.

Und schließlich nutzen Privatpersonen die oft frei zugänglichen Tools, um selbst Hobbydetektiv zu spielen. Ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr ist das Verschwinden der US-Amerikanerin Gabby Petito, über deren Verbleib auf sozialen Medien eifrig spekuliert wurde – auch in Form diverser Falschinformationen.

Satellitenbilder und Videos

Die Bandbreite der Osint-Tools ist sehr groß und reicht von frei zugänglichen Web-Tools bis zu hochkomplexen und teuren Profilösungen. So wird im "Economist" erwähnt, dass Satellitenbilder des Anbieters Maxar verglichen wurden, um das Auftauchen und Verschwinden diverser militärischer Fahrzeuge zu dokumentieren. Diese wiederum wurden mit den Dashcam-Videos auf Tiktok abgeglichen. Ein anderes dort beschriebenes Tool ist der Radar Interference Tracker, der den Einsatz von militärischem Radar auf einer Weltkarte grafisch darstellt.

Auch andere öffentlich zugängliche Bilder sind freilich verfügbar. So gibt es ein breites Netzwerk an öffentlich einsehbaren Webcams, die Bilder teilweise live übertragen – in Österreich ist etwa der Anbieter Feratel weit verbreitet.

Für Satellitenbilder, die kein regelmäßiges Update haben müssen, ist freilich Google Earth eine lohnenswerte Quelle, einen weiteren Zugriff auf historische Satellitenbilder liefert das Web-Tool Earth Data Search der Nasa. Doch auch Tools zum Betrachten von Satellitenbildern nahezu in Echtzeit gibt es, eines davon ist Zoom Earth.

Für die Analyse von Social-Media-Fotos und -Videos empfiehlt sich das Filtern nach spezifischen Begriffen und Hashtags. So hat gerade auch die Ukraine-Krise auf Tiktok diverse Postings hervorgebracht, unter anderem teilen Soldaten dort ihre Erfahrungen. Wichtig ist hier freilich ein behutsames Vorgehen, um Fake News von wahren Informationen zu unterscheiden – aktuelle Tipps dazu hat der STANDARD unter diesem Link zusammengefasst. Diverse Programme ermöglichen es außerdem, Trends auf Social Media gezielt auszuwerten.

Weitere Osint-Tools

Doch die Osint-Nutzung ist – auch für Privatpersonen – mit Bildern und Videos freilich noch nicht abgeschlossen. So ist es richtig und wichtig, auf dieser Stelle auf das Prinzip von Open Data zu verweisen, also die Bereitstellung diverser Datensätze durch Unternehmen und öffentliche Institutionen. In Österreich ist in dieser Hinsicht data.gv.at die erste Anlaufstelle, wo diverse Datensätze – teilweise mit Live-Aktualisierung – bereitgestellt werden. Hier geht es freilich weniger um militärische Themen, dafür können im Sommer die Temperaturen der Wiener Badegewässer abgerufen werden.

Wer noch weiter in das Osint-Thema eintauchen möchte, für den ist osintframework.com eine lohnenswerte Anlaufstelle. Hier sind diverse Tools aufgelistet und sauber nach Kategorie geordnet. Um nur ein paar nützliche Tools für die private Spionagetätigkeit zu nennen: who.is listet – sofern mit der DSGVO vereinbar – die Eigentümer einer Webadresse; mit builtwith.com lässt sich herausfinden, mit welchen Tools eine Website gebaut wurde; shodan.io ist eine Suchmaschine für IoT-Devices; und dann gibt es noch die vom Österreicher Peter Kleissner gegründete Darknet-Suchmaschine Intelligence X.

Wieder andere Tools richten sich an Profis – etwa Maltego, das die Verbindungen zwischen Personen und Institutionen auswertet und visuell darstellt. Eine Basisversion ist gratis, die Versionen mit mehr Funktionen kostet pro Jahr und User 999 Euro aufwärts.

Maltego

Die Zukunft der Spionage?

Sind Osint-Tools also die Zukunft der Spionage? Jein. Denn wie es auch im "Economist" heißt, ist diese Vorgehensweise durchaus fehlerbehaftet. So können Satelliten nur eine begrenzte Zahl an Aufnahmen pro Tag machen, und Bilder mit ausreichender Auflösung sind nicht immer verfügbar. Oft ist dort auch nicht alles sichtbar, was benötigt wird, die Aufnahmen können irreführend sein.

Zudem könnten absichtlich falsche Informationen bereitgestellt werden – in dem Wissen, dass die Daten anschließend von der anderen Seite ausgewertet werden. Schiffe könnten etwa absichtlich falsche Standortdaten schicken, Fake-Videos auf Social Media irreführende Informationen enthalten. Das ändert aber nichts daran, dass unsere Welt transparenter ist als je zuvor. (Stefan Mey, 24.2.2022)