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Am frühen Donnerstag hat Russland seine Angriffe auf die Ukraine gestartet, wenig später überquerten Bodentruppen die Grenze.

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Es war viel Eisen in der Stimme, unverhohlene Wut und Erregung, als Wladimir Putin der Ukraine den Krieg erklärte. Auch wenn er das Wort Krieg nicht in den Mund nahm und euphemistisch von einer "Militäroperation" sprach mit dem Ziel, "das ukrainische Volk zu befreien", bleibt der Sinn der gleiche: Russland bombardiert seinen schwächeren Nachbarn. In Kiew, Charkiw, Mariupol gab es Explosionen.

Putins Begründung für diesen Bruderkrieg ist zynisch und verlogen: Er spricht von Faschisten, die in Kiew die Macht ergriffen hätten, von einer Bedrohung, die die Ukraine für Russland darstelle. Er wolle das Land "entnazifizieren" und "entmilitarisieren." Doch darum geht es nicht. Es geht ihm um Macht und Einflusssphären.

Ja, die Nationalisten haben eine nicht unbedeutende Rolle beim Sturz des Kleptokraten Viktor Janukowitsch gespielt. Aber sie wurden von den Ukrainern anschließend nicht in die Regierung gewählt. Präsident Wolodymyr Selenskyj ist jüdischer Abstammung, sein Großvater hat – wie er selbst während seiner Mahnung vor einem Krieg betonte – im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis gekämpft. Auch aus dem Parlament sind dubiose Kräfte wie Swoboda oder die Radikale Partei des Populisten Oleh Ljaschko längst hinausgeflogen.

Großmachtambitionen des Kreml

Die Ukraine stellt militärisch keine Gefahr für Russland dar, sie ist dem nördlichen Nachbarn weit unterlegen. Gebietsansprüche hat nur Putin gestellt. Erst die Krim, dann den Donbass, später "Neurussland" – und nun hat er es offenbar auf das ganze Land abgesehen. Denn die Ukraine ist wichtig für die Großmachtambitionen des Kreml.

Ohne die Ukraine kann Putin weder sein ambitioniertes Projekt der Eurasischen Wirtschaftsunion sinnvoll verwirklichen, weil der Markt zu klein ist, noch einen Militärblock aufbauen, der Moskau Einfluss bis weit nach Europa hinein sichert.

Die Macht Putins bedroht die Ukraine allein durch ihr Dasein, durch die Chance auf demokratischen Wandel. Perfekt ist die Ukraine mitnichten. Der Einfluss der Oligarchen ist weiterhin groß, ebenso die Korruption, wirtschaftlich und sozial liegt das Land darnieder. Doch im Gegensatz zu Putins Russland hat es eine Chance auf Veränderung. Und die will der Kreml-Chef zerstören, um seine Macht zu zementieren. (André Ballin, 24.2.2022)