Sogenannte "CRISPR-Tomaten" (nicht im Bild) sollen aufgrund der Mutation mit neuer Gentechnik blutdrucksenkend wirken.

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Raps, dem Herbizid kein Blättchen krümmt. Weizen, dem Mehltau kein Korn verdirbt, und Tomaten, die den Blutdruck senken. Was nach Ackerpflanzen mit Superkräften klingt, macht Wissenschaft möglich; konkret Methoden der neuen Gentechnik (NGT), wie etwa die Gen-Schere CRISPR/Cas. In Ländern wie den USA, Kanada und Japan bauen Landwirte die neuen Sorten teilweise bereits an.

Die Frage, wie zukünftig in Österreich und der EU mit neuen Gentechnikmethoden umzugehen ist, erregt die Gemüter in Umweltorganisationen wie Global 2000. Sie werfen der Europäischen Kommission vor, das EU-Gentechnikrecht für die Landwirtschaft aufweichen zu wollen und Methoden der neuen Gentechnik "ohne umfassende Risikoprüfung oder Kennzeichnungspflicht" zuzulassen. Eine Petition soll dem entgegentreten.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Grund für die akute Aufregung: Ab April startet ein dreimonatiger Austausch zwischen EU-Kommission und Regierungen. Zur Diskussion steht, ob die strengen Gentechnikrichtlinien für Verfahren wie CRISPR/Cas auch weiterhin gelten sollen.

Seit 2018 unterliegen die NGT-Methoden dem Unionsgesetz. Diese Entscheidung des EuGH hat für einen Aufschrei in der Wissenschaft gesorgt. Laut Molekularbiologin Ortrun Mittelsten Scheid vom Gregor-Mendel-Institut unterscheiden sich neue Gentechnikmethoden von klassischer Gentechnik grundsätzlich. "Daher sollten auch nicht dieselben gesetzlichen Auflagen gelten."

Was ist neue Gentechnik?

Zur Erklärung: Die klassische Gentechnik verändert einen Organismus, indem ein oder mehrere Gene zusätzlich in das Genom eines Organismus eingebaut werden.

Bei der Anwendung der CRISPR/Cas-Methode hingegen wird – wie auch bei der konventionellen Züchtung – ein vorhandenes Gen durch Mutationen verändert, sagt Mittelsten Scheid. Dabei wird das Cas-Protein mit einer RNA kombiniert und die Gen-Schere passgenau an eine konkrete Adresse im Genom geleitet, um die DNA nur dort durchzutrennen.

Bei der anschließenden Reparatur kommt es oft zu einer Veränderung der DNA-Sequenz, sodass nur an dieser Schnittstelle eine genetische Mutation entsteht, erklärt Mittelsten Scheid. Selten auftretende parallele Mutationen an anderen Stellen können identifiziert und durch eine Rückkreuzung entfernt werden, ebenso wie die genetische Information für die Gen-Schere.

Die gentechnische Veränderung mittels CRISPR/Cas ist von einer natürlichen Mutation im Nachhinein nicht mehr zu unterscheiden, die gentechnische Veränderung also nicht mehr nachvollziehbar.

Klimaresistente Ackerpflanzen

Die Molekularbiologin sieht ein "enormes Anwendungspotenzial in der Landwirtschaft". Die CRISPR-Methode könne neben Ertragssteigerungen, Qualitätsverbesserungen und Resistenzen auch helfen, um Pflanzen an verändernde Wetterextreme wie etwa lange Trockenperioden oder Starkregen anzupassen.

Die neue Gentechnik verspricht neben mehltauresistentem Weizen und herbizidresistentem Raps auch Sojasorten mit weniger Transfetten. Laut Global 2000 ist die "CRISPR-Tomate" seit über einem Jahr in Japan zugelassen. Ihr hohes Niveau an Gamma-Aminobuttersäure soll den Blutdruck senken. In Europa sind derartige Ackerpflanzen noch nicht erhältlich. Ein Antrag für CRISPR/Cas-Mais befinde sich derzeit aber in der Pipeline.

Umweltorganisationen fordern strenge Gesetze

Bei Global 2000 läuten seither alle Alarmglocken. Damit derartige Produkte nicht "ohne Gentechnikpickerl" in österreichischen Einkaufswagen landen, setzt man alle Hebel in Bewegung. Wichtig ist den Umweltaktivistinnen, dass CRISPR/Cas keinen Sonderstatus bekommt, sondern weiterhin dem Gentechnikgesetz unterliegt und als solches gekennzeichnet wird.

Laut Mute Schimpf von der Organisation Friends of the Earth Europe wiederholt die EU-Kommission ständig Versprechen der Gentechnikbranche, darunter "angebliche Vorteile wie Pestizidreduktion, weniger Treibhausgase" und dass diese "so sicher wie konventionelle Pflanzen" sei.

Schimpf befürchtet, dass Verbraucherinnen schon bald nicht mehr wissen, was sie essen. Fehlende Rückverfolgung und Haftung der Hersteller würden Gentechnikkonzernen mehr Kontrolle geben.

Brigitte Reisenberger von Global 2000 kritisiert zudem, dass die Risiken weder in der Landwirtschaft noch für das Ökosystem lückenlos erforscht seien. Statt Gentechnik brauche es Pflanzenvielfalt, nachhaltige Bodenpflege, Humusaufbau und eine Reduktion des Pestizideinsatzes.

Mittelsten Scheid kann die Besorgnis von Umweltschützern psychologisch nachvollziehen, sie sei wissenschaftlich aber nicht begründbar – im Gegenteil. Den Bedarf an gesonderten Verfahren für eine Risikoabschätzung sieht sie nicht.

Landwirtinnen legen sich nicht fest

Sind die Techniken sicher, wäre es in Hinblick auf den Klimawandel wünschenswert, Sorten zu bekommen, die widerstandsfähiger gegenüber Dürre und Hitze sowie Schädlinge und Krankheiten sind, heißt es aus der Landwirtschaftskammer Österreich. Festlegen will man sich allerdings nicht. Die Neueinstufung und die Verwendung bestimmter Züchtungsmethoden sei auf EU-Ebene zu klären. (Julia Beirer, 2.3.2022)