Ein unbescholtener 52-jähriger Akademiker soll auf Twitter versucht haben, einen Chefredakteur zu nötigen. Er sagt, ihm ging nur eine Diskussion auf die Nerven

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Wien – Herr H. ist 52 Jahre alt, trägt zwei akademische Grade und ist Selbstständiger. Und er war ein knappes halbes Jahr lang unter dem Namen "kaeptn13" auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter aktiv. Was ihn nun vor Richterin Nicole Baczak gebracht hat, die gegen den unbescholtenen Familienvater wegen versuchter Nötigung verhandelt.

Er hatte sich Ende Oktober in eine via Twitter ausgetragene Auseinandersetzung zwischen "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk und dem "Plagiatsjäger" Stefan Weber eingeschaltet. "Sie haben sich gefightet. Mir und vielen anderen ist das auf die Nerven gegangen", sagt der ohne Verteidiger erschienene Angeklagte. Worauf er bezüglich Klenk postete: "Wir lassen ihn gerne leben, wenn er einmal ein paar Tage die Pappn hält" und "Mit dem Shitnews-Team hat er keine Chance." – "Was soll das Shitnews-Team sein?", ist Bazack verwirrt. "Das war satirisch gemeint." – "Jeder glaubt im Internet, er ist Satiriker", konstatiert die Richterin.

"Es war einfach dahingeschrieben"

"Es war einfach dahingeschrieben", bringt H. ein wesentliches Problem der Meinungsäußerung im Internet auf den Punkt. Er habe dem Journalisten damit nicht drohen wollen, sondern im Sinne von "leben und leben lassen" zur Mäßigung aufgerufen. "Das ist jetzt Ihre Interpretation. Es ist aber auch die James-Bond-Interpretation 'Live and Let Die' möglich", demonstriert Baczak cineastische Kompetenz.

"Warum haben Sie keinen Klarnamen verwendet?", interessiert die Richterin auch. "Das Twitter ist wie ein Fußballplatz. Wenn man mit Klarnamen reingeht, bekommt man schnell eine auf's Haupt", ist der Angeklagte überzeugt. Er ist sich auch sicher, dass Klenk ursprünglich dachte, Kaeptn13 sei in Wahrheit Richard Schmitt, Chefredakteur des Onlinemediums "Exxpress.at" – "der ist sein Intimfeind", meint der Angeklagte.

Nachdem Klenk öffentlich über seine Fortschritte bei der Suche nach der Identität des Posters berichtet hatte, hätte er auf Twitter "hunderte Nachrichten" bekommen, ist er merklich verbittert. "Von normalen Drohungen und Beschimpfungen bis hin zu 'Wir finden deinen Sohn!'", moniert er. "Aber der Auslöser war schon Ihre Meldung", merkt die Richterin dazu an. "Es war nicht gut formuliert, keine Frage", gibt H. zu. Und wird später noch deutlicher: "Der Tweet war S, C, H ..."

Richterin glaubt nicht an große Freundschaft

Mittlerweile stehe er Klenk "neutral" gegenüber, der Journalist habe ihm vor einigen Wochen auch ein Mail geschrieben, indem er eine Aussprache bei einem Abendessen anbot. Bazcak mag nicht recht glauben, dass jetzt die große Freundschaft ausgebrochen ist. "Auf ihrem Handy wurde auch ein Tweet an einen anderen User gefunden, wo Sie schreiben: 'Den Klenk haben wir heute abmontiert, bist du deppad!' Redet man im Internet so unter Männern?", fragt die Richterin. "Manchmal", gesteht H. ein. "Und jetzt: Vollständig von Twitter weg oder Captain14?", ist die letzte Frage an den Angeklagten. "Nein, komplett weg", versichert der.

Florian Klenk erzählt als Zeuge, warum ihn diese Botschaft so beunruhigt habe. Im Vorfeld habe ein Pressesprecher des damaligen Innenministers Karl Nehammer (ÖVP) gegenüber Journalistinnen und Journalisten darauf hingewiesen, dass Klenk, ein Staatsanwalt und eine Staatsanwältin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im selben niederösterreichischen Ort leben. "'Exxpress.at' hat dann geschrieben, dass ich exakt 1,7 Kilometer vom Staatsanwalt entfernt lebe", erinnert sich der Journalist. Schließlich postete ein Unbekannter sogar ein Bild von Google Street View vom Gartentor Klenks. Als H.s Posting kam, habe er sich daher beunruhigt gefühlt.

Katze im Kühlschrank

Er habe das Posting H. per Whatsapp an Nehammer geschickt. "Um ihm zu zeigen, welche Auswirkungen es hat, wenn seine Mitarbeiter private Adressen weitergeben." So begannen die Ermittlungen, die schließlich zu H. führten. Auch Klenk selbst analysierte das Konto und leitete der Polizei Indizien weiter, die bei der Identifizierung helfen könnten. Unter anderem ein Katzenfoto. H. hatte sein Haustier abgelichtet, als das Tier mit ungewöhnlichem Namen im Gemüsefach seines Kühlschranks saß. Baczak amüsiert sich ziemlich über das Foto, Klenk weist leicht verärgert darauf hin, dass das hier kein Kabarett sei.

Der Doktor der Rechtswissenschaften hat dann auch einen Vorschlag für die Richterin parat: "Ich halte es für einen klassischen Fall für einen Täter-Opfer-Ausgleich", empfiehlt er und stellt klar: "Jetzt fürchte ich mich nicht mehr und will da auch keine Staatsaffäre draus machen." H. nutzt noch die Möglichkeit zu einer Entschuldigung bei Klenk, der diese akzeptiert. Den juristischen Ratschlag des Zeugen ignoriert Baczak aber und bietet dem Angeklagten stattdessen eine Diversion an, wenn er innerhalb von sechs Monaten eine Geldbuße von 4.500 Euro in Raten zahlt. H. akzeptiert das ebenso wie die Staatsanwältin, die Entscheidung ist damit rechtskräftig. (Michael Möseneder, 24.2.2022)