Seit Beginn der Corona-Pandemie vor zwei Jahren ist für viele Menschen auf offener Bühne sichtbar geworden, wie Wissenschafterinnen und Wissenschafter bei ihrer täglichen Arbeit vorgehen. Dazu gehören Versuche, Irrtümer – und ab und zu ein epochaler Durchbruch wie die Entwicklung einer wirksamen Impfung. Die Bedeutung von Wissenschaft für das alltägliche Leben hat in dieser Zeit zweifellos zugenommen.

Diese Entwicklung hat aber leider nichts daran geändert, dass immer noch weitverbreitete Missverständnisse darüber vorherrschen, wie Wissenschaft eigentlich funktioniert, was sie leisten kann – und was nicht.

Mit der wirksamen Impfung gelang der Wissenschaft in der Corona-Pandemie ein epochaler Durchbruch.
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Zunächst wäre der beständige Irrtum zu nennen, dass Wissenschaft Wahrheit hervorbringe. Wenn der Wahrheitsbegriff denn überhaupt bemüht werden soll, operiert die Wissenschaft allenfalls mit vorläufigen Wahrheiten. Mit einem hohen Maß an Kritikfähigkeit und Selbstkritik werden diese fortwährenden Überprüfungen unterzogen – und im besten Fall für den Fortschritt der Forschung revidiert.

Ein weiterer Fehlschluss besteht darin, dass Irrtümer ein Zeugnis der Niederlage von Wissenschaft seien. In der Pandemie konnte vielfach beobachtet werden, wie Skeptiker Forschenden vorhalten, dass sie vor zwei Monaten zu jenem Ergebnis gekommen seien und nun etwas ganz anderes sagen würden. Ergo – so der Trugschluss – müsse man die Wissenschaft nicht ernst nehmen, wenn ihre Ergebnisse nicht für die Ewigkeit bestünden.

Genau das Gegenteil ist der Fall: Der Erfolg von Wissenschaft liegt gerade darin begründet, dass sie nicht dogmatisch an Resultaten festhält, sondern stets um Verbesserung und Korrektur bemüht ist. Die Bereitschaft, Fehler akribisch zu suchen – und schlauer daraus zu werden –, zählt zu den größten Vorzügen der Wissenschaft und ist Mitgrund dafür, warum sie anderen Wissensformen in vielerlei Hinsicht überlegen ist.

Zu verstehen, wie Wissenschaft funktioniert, ist daher kein Selbstzweck: Kritikfähigkeit und ein konstruktiver Umgang mit Fehlern verhelfen nicht nur Forschenden zu Höchstleistungen, sondern können auch dazu beitragen, private, gesellschaftliche und politische Krisen besser zu meistern. Produktiv mit Fehlern umzugehen, sich selbst und anderen Irrtümer zuzugestehen und daraus zu lernen steht stets am Beginn dessen, was wir Fortschritt nennen. (Tanja Traxler, 25.2.2022)