Ex-Außenministerin Karin Kneissl bei ihrer Hochzeit mit Ehrengast Wladimir Putin 2018. Mittlerweile kommentiert sie von Südfrankreich aus das Weltgeschehen.

Foto: ROLAND SCHLAGER/APA-POOL

Das Wort "Putin-Versteher" hat wieder Hochkonjunktur. Selbst während der Zuspitzung der Situation in der Ukraine in den letzten Tagen wurden einige Prominente aus Politik und Wirtschaft nicht müde, die Handlungen Wladimir Putins zu relativieren, ja zu entschuldigen.

Allen voran die ehemalige Außenministerin Österreichs, Karin Kneissl, die dreieinhalb Jahre nachdem sie mit Putin auf ihrer Hochzeit getanzt hat, von ihrem Domizil im südfranzösischen Avignon aus Interviews als Russland- und Energie-Expertin gibt. Vor allem dem staatlich kontrollierten Sender Russia Today (RT) bzw. dessen englisch- und deutschsprachigen Ablegern. In Österreich habe sie ja "de facto" Arbeitsverbot, zeichnete die Ex-Politikerin erst kürzlich auf Twitter ein düsteres Bild ihres Heimatlandes.

Anerkennung "ganz normal"

Weniger düster interpretierte sie Putins Anerkennung der Separatistengebiete. Das sei ein ganz normaler Vorgang, wenn sich neue Staaten bilden, meinte Kneissl dazu. Als sie in den 1990ern junge Diplomatin war, sei so etwas auch "fast wöchentlich" passiert.

Fast psychologisch wurde Kneissls Verständnis für Putin dann in einem anderen Interview mit RT: Über die letzten 25 Jahre sei auf russischer Seite "sehr, sehr viel Enttäuschung und sehr, sehr viel Misstrauen entstanden", bedauerte Kneissl. Dies könne nur "wieder wettgemacht" werden durch einen "ernsthaften und respektvollen Umgang miteinander". Kneissl hoffe, dass bis dahin nicht "zu viel Porzellan zerschlagen" wird.

"Dann wird er grantig"

Für Verwunderung sorgte auch der langjährige Wirtschaftskammerpräsident und Ehrenpräsident der Europäischen Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, der in einem Interview mit ATV nach der Rede Putins geradezu ins Schwärmen über den russischen Staatschef geriet. Putin sei ein "genialer politischer Schachspieler", der Handschlagqualität habe. "Wenn es nicht gelingt, das russische Sicherheitsbedürfnis zu befriedigen, können wir die Souveränität der Ukraine nicht sichern und den Frieden in Europa nicht", sagte Leitl. Und: "Wenn man mit Putin sagt 'Okay, mach ma uns was aus', dann hält das, wenn man ihm aber sagt, 'Red nur zu' und das geht bei uns bei einem Ohr hinein und beim anderen hinaus, dann wird er grantig, und dann wird er auch aggressiv."

Leitl ist übrigens der Vertreter der österreichischen Zivilgesellschaft im Sotschi-Dialog, einem österreichisch-russisches Forum, das anlässlich eines Besuchs Putins bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen 2018 initiiert und 2019 von Karin Kneissl, damals noch Außenministerin, und Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Moskau unterzeichnet wurde. Inhaltlich pflegt man Kooperationen in den Bereichen Musik, Kunst und Kultur, Hochschulzusammenarbeit, Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft und Sport.

Wirtschaft als "Brückenbauer"

WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf (ÖVP) tat sich zwar nicht als Putin-Versteher hervor, warnte aber am Dienstag, dass die Folgen von Strafsanktionen der EU "genau überprüft werden" müssten. "Die Wirtschaft kann und wird hier nach wie vor die Rolle eines Brückenbauers einnehmen", so Kopf.

Auch der ehemalige FPÖ-Politiker Johann Gudenus bezog für sich auf Instagram klar Stellung. Wenig überraschend für Russland, das Gudenus auch gerne mit FPÖ-Delegationen bereiste, um etwa 2016 in Moskau einen Kooperationsvertrag mit der Partei Putins zu unterzeichnen.

Violette Totenköpfe

Auf violettem, mit Totenköpfen verzierten Hintergrund schrieb Gudenus: "Kriegstreiberei und Mobilisierung kommt vor allem von der Nato – dem Kalter-Krieg-Nostalgiker-Verein."

"Als die Sowjetunion in den 1990er-Jahren zerbrach, versprachen die USA, dass die Nato nicht in Osteuropa vorrücken würde. Dieses Versprechen wurde gebrochen. Russland fühlt sich durch die Nato in seiner Sicherheit gefährdet", steht auf knallrotem Hintergrund neben einem Bild des US-Präsidenten Joe Biden, das derweil die SPÖ-Parlamentarierin Muna Duzdar auf Facebook postete.

Elke Kahr: "Putin hat schweres Unrecht begangen"

Angesichts von so viel Verständnis für den russischen Präsidenten wirkt die Aufregung über die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ), die vor einigen Tagen auf Facebook schrieb "Die Truppen müssen zurückgezogen werden, und zwar auf beiden Seiten", hochgespielt. Am Donnerstagmorgen nahm Kahr zum Krieg in einer Aussendung unmissverständlich Stellung: "Russland hat heute mit dem Einmarsch in die Ukraine begonnen. Mit dieser Aggression hat Putin schweres Unrecht begangen und Fakten geschaffen, die nicht mehr umkehrbar sind. Alle Beteuerungen haben sich als leere Worte erwiesen." Kahr beendet die Aussendung mit: "Die Drohungen und Einschüchterungsversuche Putins gegenüber anderen Staaten sind inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen. Krieg darf nie eine Option sein. Das sollten die Machthaber aufgrund der Erfahrungen aus der Geschichte gelernt haben." (Colette M. Schmidt, 24.2.2022)