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Wolodymyr Selenskyj und die Ukraine stehen mit dem Rücken zur Wand.

Foto: AP

Bestimmt steht dem ukrainischen Präsidenten der Sinn nicht nach persönlicher Nabelschau. Er hat nun andere Sorgen. Sein Land wird von Russland attackiert, dem flächenmäßig größten Staat der Erde.

Dennoch: Wenn Wolodymyr Selenskyj zuletzt hörte, wie sein russischer Amtskollege Wladimir Putin den Angriff auf die Ukraine unter anderem begründet, muss sich gerade in ihm Verzweiflung breitgemacht haben – und eine langsam zur Gewissheit werdende Ahnung, dass die Sprache von Vernunft und Diplomatie kein Gehör mehr findet.

Putin nämlich ist der Ansicht, in der Ukraine seien "Neonazis" an der Macht, das Land müsse "entnazifiziert" werden. Und: Die Führung in Moskau sieht es als ihre Aufgabe an, die russischsprachige Bevölkerung im Donbass vor Übergriffen durch die Ukraine zu schützen. Für deren Präsidenten Selenskyj, der 1978 in eine russischsprachige jüdische Familie geboren wurde, wohl eine nur schwer verdauliche Kombination.

Vom Komiker zum Präsidenten

Auch, dass er nun an der Spitze eines Staates steht, der gerade die dunkelste Stunde seit der 1991 erklärten Unabhängigkeit erlebt, will mit der scheinbaren Leichtfüßigkeit seiner politischen Anfänge nicht zusammenpassen. Ganz Europa, ja die ganze Welt staunte nicht schlecht, als der Kabarettist und TV-Komiker Selenskyj 2019 zum Präsidenten gewählt wurde.

Die Story klang selbst wie ein Filmdrehbuch: Selenskyj hatte in der Fernsehserie Diener des Volkes einen Geschichtslehrer gespielt, der gegen die Korruption im Land wettert und als Quereinsteiger zum Präsidenten gewählt wird – so wie kurze Zeit später auch der echte Selenskyj, der seine Popularität durch diese Rolle enorm gesteigert hatte.

Als immer mehr über seine Kandidatur spekuliert worden war, brachte der studierte Jurist die für ihn typische humoristische Note in den Wahlkampf: "Ich habe eine juristische Ausbildung – das ist ein Plus. Ich habe aber keine politische Erfahrung – das ist ein großes Plus." Die Lacher waren ihm sicher – und wenig später auch der Wahlsieg.

Sinkende Beliebtheit

Der Kampf gegen die Korruption und das Bemühen um Frieden in der Ostukraine zeigten jedoch nicht die gewünschten Erfolge. Selenskyjs Beliebtheit sank. Nun steht der demokratisch gewählte Präsident und Vater zweier Kinder mit dem Rücken zur Wand. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer hat am Donnerstag mit ihm telefoniert: Selenskyj habe gesagt, er wisse nicht, wie lange es sein Land noch gebe – und wie lange er noch leben werde. (Gerald Schubert, 24.2.2022)