Die Bilder der vorrückenden russischen Panzer lassen ein Gefühl der Ohnmacht entstehen. Auch der Westen kann offenbar nur tatenlos zusehen, wie Russlands Staatschef Wladimir Putin den Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Militärisch will niemand Kiew beistehen. Sanktionen wird es geben. Aber da sind ja all die Abhängigkeiten: bei Gas, auch im Bankensektor. Wie weit darf die EU da gehen?
Vielleicht ist das der Zeitpunkt, um uns auf die eigenen Stärken zu besinnen. Es hat einen Grund, warum sich Osteuropa nach dem Kollaps der Sowjetunion 1991 westwärts orientiert haben. Es hat einen Grund, warum Russland glaubt, in der Ukraine militärisch intervenieren zu müssen, wie es bereits zuvor in Kasachstan und Georgien eingegriffen hat. Das Versprechen von Wohlstand und Freiheit sehen die Menschen am ehesten im Westen erfüllt, auch in Kiew und Minsk.
Die EU ist also keine Militär-, wohl aber eine wirtschaftliche Weltmacht. Diese Stärke gilt es als Antwort auf den russischen Völkerrechtsbruch einzusetzen. Nimmt man auch die USA und die Briten dazu, so wirkt Russland wie ein wirtschaftspolitischer Zwerg. Russlands Wirtschaftsleistung entspricht gerade jener Spaniens. Ohne die Devisen aus dem Verkauf von Öl und Gas hat Russland wenig zu bieten. Bei Technologien besteht eine Abhängigkeit von der EU, daher kommen die Einfuhren.
Die Stoßrichtung sollte also klar sein: Der Handel mit Russland muss weitgehend zum Erliegen gebracht werden. Die EU braucht einen Plan, wie die Abhängigkeit von russischem Gas reduziert und in den kommenden fünf Jahren beendet werden kann. Geschäfte mit russischen Banken gehören unterbunden. All das wird Russlands Wirtschaft treffen, den Rubel auf Talfahrt schicken, die Inflation anheizen. Auch für die EU wird dieser Prozess nicht ohne Schmerzen sein. Aber die Union hat die Mittel, diesen Prozess mit Hilfsmaßnahmen abzufedern. Sie sitzt wirtschaftlich am längeren Hebel.
Doch am Tag nach Beginn des russischen Angriffs schien es so, als ob die EU immer noch nicht bereit ist, diesen Weg zu gehen. Zwar einigte sich die Union auf neue Sanktionen. Aber bisher blieb das eine unkonkrete Ankündigung. Es soll Exportkontrollen geben, aber keinen weitgehenden Abbruch der Beziehungen. Es gibt Sanktionen gegen Banken, aber Russland bleibt im Swift-System, mit dem internationale Bankzahlungen abgewickelt werden. Die Briten wirkten da entschlossener, auch die Amerikaner. Europa muss nachlegen.(András Szigetvari, 24.2.2022)