Der Angriff Russlands auf die Ukraine führt dazu, dass auch in Südosteuropa vorsorglich Maßnahmen ergriffen werden. So werden etwa 500 weitere Soldaten und Soldatinnen der Eufor-Reservetruppe, die außerhalb von Bosnien und Herzegowina stationiert sind, in den nächsten zwei Wochen als Verstärkung der bestehenden Streitkräfte im Land stationiert. Sie sollen aus Österreich, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei kommen.

Die internationale Eufor-Truppe soll unterstützen, um in Bosnien Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten.
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Bei der Aufstockung geht es darum, den Staat Bosnien-Herzegowina effektiver zu unterstützen und eine sichere und stabile Situation zu gewährleisten. "Die sich verschlechternde Sicherheitslage auf internationaler Ebene könnte möglicherweise zu Instabilität in Bosnien und Herzegowina führen. Der Einsatz dieser Streitkräfte ist eine Vorsichtsmaßnahme, um die Stabilität in BiH zu stärken, indem eine ausreichende Anzahl fähiger Kräfte im Land stationiert wird, um Unterstützung zu leisten", heißt es in der Erklärung der Eufor.

Entschlossen für Integrität

Die Truppenverstärkung soll vor allem Entschlossenheit signalisieren, die territoriale Integrität und die Souveränität von Bosnien und Herzegowina zu wahren. Zurzeit befinden sich etwa 600 Militärs, vorwiegend aus Österreich, vor Ort. Bereits seit Monaten wird wegen der konkreten Sezessionsschritte, die der prorussische rechtsradikale Chef der Partei SNSD, Milorad Dodik, unternimmt, über eine Truppenverstärkung und eine Verlegung mancher Truppen nach Brčko diskutiert.

Denn Brčko trennt den bosnischen Landesteil Republika Srpska (RS), den Dodik vom Staat abspalten will, in zwei Teile. Truppen, die in Brčko stationiert werden, könnten die Einnahme des gesamten Gebiets der RS verzögern oder verhindern.

Dodik droht seit vielen Jahren damit, die RS abzuspalten. Es handelt sich um das alte Kriegsziel der Jahre 1992 bis 1995. Damals versuchten Nationalisten die RS abzuspalten und an ein Großserbien anzuschließen. Zehntausende Nichtserben wurden vertrieben, in Lager gebracht und viele Tausende ermordet, um durch die ethnischen Säuberungen den Anschluss an ein Großserbien zu ermöglichen.

Sorge vor Anerkennung

Dodik wird seit vielen Jahren nicht nur vom Nachbarstaat Serbien, sondern vor allem von Russland unterstützt. Nun besteht in der gesamten Region die Sorge, dass Russland – analog zu den "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk – auch die Republika Srpska als unabhängigen Staat anerkennen könnte, um auf dem Balkan noch mehr Instabilität zu erzeugen.

Dodik ist zudem mit der kroatisch-nationalistischen Partei HDZ in Bosnien-Herzegowina verbündet. Diese fordert nun auch offen eine dritte Entität (ebenfalls ein Kriegsziel in den 1990ern) in der Herzegowina, also einen eigenen Landesteil (genannt Herceg-Bosna), in dem vorwiegend Kroaten leben sollen. Bosnien-Herzegowina ist nicht Teil der Nato, prowestlich orientierte politische Kräfte wollen aber einen Beitritt, prorussisch orientierte Kräfte wie die SNSD wollen dies aber verhindern.

Appeasement von Várhelyi

Auch in Deutschland wird überlegt, wieder Truppen – zunächst einmal 50 Soldaten – nach Bosnien-Herzegowina zu schicken. Das Land befindet sich wegen Dodiks konkreter Sezessionsschritte in der größten Krise seit dem Ende des Krieges 1995. Der ungarische EU-Kommissar Olivér Várhelyi, der ganz offensichtlich die Nationalisten unterstützt, hat kürzlich dennoch sogar das Angebot gemacht, dass die Republika Srpska 600 Millionen Euro aus EU-Töpfen bekommen könnte, wenn ihre Vertreter wieder in die Institutionen des Gesamtstaats zurückkehren. Diese Politik wird von anderen EU-Staaten wie Deutschland als Appeasement abgelehnt. Sie fordern harte Sanktionen gegen Dodik, wie sie die USA bereits 2017 eingeführt haben.

Deutschland hat angekündigt, den ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten und Präsidenten der Südosteuropagesellschaft, Manuel Sarrazin, als Sonderbeauftragten für den Westbalkan zu bestellen. Sarrazin ist nicht nur ein ausgewiesener Experte für die Region, aber auch Osteuropa, sondern hat sich bereits in den vergangenen Jahren um die Verteidigung der europäischen Werte und Standards in der deutschen und europäischen Politik auf dem Westbalkan verdient gemacht. (Adelheid Wölfl, 25.2.2022)