Die Grazer Künstlerin und Architektin Karla Kowalski bezeichnet ihr Haus als eine weiche, formbare Kubatur – und ihr Wohnzimmer als Paradies ohne Sofa, aber dafür mit Monster.
"Ich mache mir viele Gedanken zu den Räumen und Wohnungen der anderen, für die ich plane. Als Architektin kann ich gar nicht anders, als die Leute verstehen zu wollen und ihnen einen maßgeschneiderten, aber auch nicht zu Ende definierten Raum zu schaffen. Ich suche nach der freien Luft, in der sie sich noch mehr, noch besser entfalten können. Aber für mich selbst über diesen Raum nachzudenken – das ist sehr schwer, für mich nahezu unmöglich. Es gibt viele Architekten und Architektinnen, die für sich selbst ein Haus bauen. Das war mir erstens nie ein Anliegen, und zweitens bezweifle ich, ob ich zu solch einer Fixierung je imstande gewesen wäre. Mein Gott, so eine schwierige Aufgabe!
Viel mehr Glück hatten wir, also mein Mann Michael Szyszkowitz und ich, als uns 1974 dieses rund 200 Jahre alte Haus am Grazer Rosenberg angeboten wurde. Nichts, was man hier sieht, wurde geplant oder bewusst gewollt. Es ist einfach entstanden als die Summe der Zufälle und Bedürfnisse, der Entwicklungen und Geschehnisse. Manchmal stehen die Sachen hier, manchmal dort, manchmal ist ein Möbelstück da und manchmal nicht. Und die Bücherregale stehen da, weil die Bücher da waren, und nicht, weil wir geplant hatten, eine Bücherwand zu bauen. Das Einzige, das ich wirklich bewusst gekauft habe, sind die roten Teppiche aus Nordafrika. Warum rote Teppiche? Weil ich rote Teppiche liebe.
Ich fühle mich wohl hier in diesem Paradies, aber es ist ein Paradies ohne Sofa, ohne Wohnzimmerlandschaft, ohne die klassischen Versatzstücke einer vermeintlichen Wohnlichkeit, weil ich gar nicht weiß, was das ist. Wohnlichkeit ist für mich die Deckung des Bedarfs an seelischem Sein, und in meinem Fall ist das eine Beweglichkeit in der Deutung, ist das ein Bett zum Schlafen, ein Fauteuil zum Lesen, eine Küche zum Kochen, ein großer Tisch zum Arbeiten und zum gemeinsamen Essen, wenn ich Freunde einlade, und vor allem eine Arbeitsbank, auf der ich meine Monster zum Leben erwecke. Ein solches steht groß neben mir auf dem Gestell: Fliegender Bär.
Ich bin ein Flüchtlingskind, und ich denke, genau dadurch entwickelt man ein ausgeprägtes Sensorium für das, was die Menschen als Heimat oder Zuhause bezeichnen. Ich schaue, wenn ich in fremden Städten auf der Straße spazieren gehe, gerne auf Fenster und Fassaden und male mir aus, wie die Menschen hinter diesen Mauern wohnen und zu Hause sind. Mein Zuhause jedenfalls definiert sich nicht nur über die Gestalt des Ortes, sondern auch über das Arbeiten und über die Menschen um mich herum. Ich bin zu Hause, wenn ich zeichne oder an meinen Figuren baue. Vielleicht ist das eine Ausweichtätigkeit, eine Flucht vor dem Wohnen, kann schon sein, aber das ist nun einmal mein Zentrum. Manchmal höre ich Musik zum Arbeiten. Wenn ich einmal sterbe, dann will ich an meinem Grab Schuberts Nocturne hören.
Ich mag dieses Haus. Obwohl die Mauern so dick und fett sind, empfinde ich es irgendwie als weich und durchlässig, als formbar und veränderbar. Fast so, als wäre das Haus selbst aus Ton. Es ist eine weiche Kubatur, die es zulässt, dass man seine Gedanken darin ausbreitet und entfaltet. Es bietet Platz für mich und meine Welt im Kopf, für mich und meine Fabeltiere, die vor Jahrzehnten schon Teil meines Lebens geworden sind. So wie der Szyszkowitz noch immer Teil meines Lebens ist, obwohl er vor einigen Jahren fortgegangen ist.
Ich weiß nicht, ob ich noch einen Wunsch für die Zukunft habe. Am ehesten will ich auch in den nächsten Jahren noch richtig schöne Dinge machen, wenn’s geht. Schöne Arbeiten, schöne Zeichnungen, schöne Skulpturen. Und ich wünsche mir, dass meine Kraft erhalten bleibt, dass ich auch in Zukunft noch genug Energie und Dringlichkeit zum Machen verspüre. Ich denke, das ist wohl das, was ich als Glücklichsein bezeichnen würde, wenn ich mal so ein kitschiges, abgenutztes Wort verwenden darf." (28.2.2022)