Auf der ganzen Welt – hier ein Foto aus dem türkischen Istanbul – wird gegen die Invasion Russlands in der Ukraine protestiert. Menschenrechtsexperte Manfred Nowak fordert Konsequenzen.

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Wien – Der internationalen Gemeinschaft stünden nur wenige Möglichkeiten offen, um auf die Invasion Russlands in der Ukraine adäquat zu reagieren, sagt der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak. Im UN-Sicherheitsrat habe Russland als eines der fünf ständigen Mitglieder ein Vetorecht, dem Internationalen Strafgerichtshof gehört das Land nicht an.

Bleibe die Mitgliedschaft Russlands im Europarat, in jener 1949 gegründeten europäischen Organisation, die derzeit 47 Staaten mit 820 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern vereint – und deren Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wacht.

Griechenland während Junta ausgeschlossen

Nach dem von Russlands Präsident Wladimir Putin orchestrierten Feldzug gegen den Nachbarstaat sei das nicht mehr akzeptabel, sagt der Experte – denn damit habe das Land "die Sicherheitsarchitektur der Nachkriegszeit angegriffen und sämtliche roten Linien überschritten". Daher, so Nowak: "Ich trete für den Ausschluss Russlands aus dem Europarat ein."

Möglich wäre das mit einer Zweidrittelmehrheit der Mitgliedsstaaten. Die zu erreichen sei nunmehr sehr realistisch, sagt Nowak. Außerdem wäre ein solcher Ausschluss mehr als ein formeller Akt, sondern für den betroffenen Staat durchaus mit Nachteilen verbunden: "Als Griechenland während der von 1967 bis 1974 währenden Militärdiktatur ab 1969 die Mitgliedschaft entzogen wurde, litt dort der Tourismus sehr. Viele Fluglinien mieden das Land, auch wurden auf Grundlage des Ausschlusses griechische Waren boykottiert."

Manfred Nowak sieht im Europarat keinen Platz mehr für Russland.
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Russland derzeit "Sonderfall"

Der Ausschluss Griechenlands aus dem Europarat war bis dato die einzige derartige Maßnahme. Nach dem Sturz der Junta wurde das Land wieder in die Organisation aufgenommen.

Im Europarat gilt Russland neben Belarus derzeit als einer von zwei "Sonderfällen". Rezente Gründe dafür sind, so das Europaratsparlament, der Giftanschlag auf den und die Verhaftung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny sowie die massenhaften Festnahmen bei Demonstrationen.

Schon davor, im April 2014, war Russland mit einer Mehrheit von 145 Stimmen vorläufig das Stimmrecht entzogen und das Land aus den Führungsgremien der Europaratsversammlung ausgeschlossen worden. Daraufhin hatten die russischen Abgeordneten die Sitzungen boykottiert. Im Juni 2017 hat Russland die Zahlung seiner Mitgliedsbeiträge an den Europarat eingestellt.

Putins "bewusste Falschinformationen"

Den Ausschluss des Landes habe man bisher mit Argumenten wie jenem vermieden, dass mit einem solchen Schritt auch jede Möglichkeit der Beobachtung von Menschenrechtsverstößen in Russland enden würde, sagt Nowak.

Nun habe die Realität dieses Zögern überholt. "Putin hat seine Angriffsstrategie seit längerem systematisch aufgebaut. Gegenüber der internationalen Gemeinschaft hat er mit bewussten Falschinformationen agiert." (Irene Brickner, 25.2.2022)