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Betriebsrätinnen und Betriebsräte berichten in einer akutellen Befragung von vielfachen Wünschen, die Arbeitszeit zu reduzieren.

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Es geht uns allen doch so gut mit dem unerwarteten Privileg des Dauer-Homeoffice ("Leute mit Kids, strengt euch halt an!") und sonstigen pandemiebedingten "Zuckerln". Wer hätte gedacht, dass diese Erzählung der gegenwärtigen Arbeitswelt bröckelt oder bricht?

Aktuell hat die Arbeiterkammer mit dem ÖGB fast 1.400 Betriebsräte befragt und dabei genau jene Bruchstellen ans Licht befördert, auf denen jetzt fast alle Unternehmen (ein paar Kreativbetriebe und Hightech-Schmieden ausgenommen) sitzen: Es geht den Belegschaften gar nicht gut, und die Happiness ist enden wollend. Konkret: Das Arbeitsklima habe sich in jedem zweiten Betrieb verschlechtert. Überstunden und die Distanz zu den Kolleginnen und Kollegen nennen die Befragten als Ursache. Fast 70 Prozent berichten von stark gestiegenem Druck, und fast die Hälfte sagt, die Führungskultur habe gelitten. Ein Frustgemälde.

Gleichzeitig berichten die Betriebsrätinnen und Betriebsräte von vielfachen Wünschen, die Arbeitszeit zu reduzieren und auf eine Viertagewoche umzustellen.

Was ist da gerade los?

Infektionen, Quarantänen, Kopfeinziehen und starke psychische Belastungen der Kollegenschaft haben alle, die durchgängig durchgehalten haben, über die Limits gebracht. Sie haben dauernd für andere mitgearbeitet. Bei all den Jubelrufen über die großen, großen Digitalisierungssprünge fühlen sich viele in ihrer Zoom-Kachel alleingelassen, verhöhnt.

Manchen Führungskräften ist nicht sehr viel mehr eingefallen, als Arbeitspakete zu verschicken und gelegentlich, als soziale Handlung, zu fragen, ob denn eh alles okay sei. Führung aus dem Homeoffice, halt mit Klicks.

Vielfach ist die notwendige Struktur eines Arbeitstags völlig abhandengekommen, weil die Wohnung zum öffentlichen Ort eines Arbeitsplatzes, an den jederzeit quasi alle kommen können, geworden ist (sehr gemütlich!). Und allen Imperativen, nach denen es jetzt nicht um Effizienz ginge, zum Trotz wurde heftig die Effizienzpeitsche geschwungen. Weil es doch jetzt Meter zu gewinnen gab.

Neue Unternehmenskultur

Dass echter Zusammenhalt in der Kaffeeküche, auch in den vereinzelt noch stattfindenden Rauchpausen, entsteht, wurde im Missverständnis vermeintlicher Produktivität ignoriert. Es ist ein großer Mangel entstanden – an Struktur und an spontanen Möglichkeitsräumen. Zurückgeworfen auf sich selbst oder im Dauerdienst draußen.

In Firmen schrillen zu Recht Alarmglocken. Aber: Ob die glücklichmachende Zukunft der Arbeit für die meisten Menschen notgedrungen weniger Arbeit, also eine 30-Stunden-Woche, ist, ist noch nicht entschieden. Als erste Option einer Erleichterung klingt’s mal gut – wenn es denn leistbar wäre. Zuerst muss aber so oder so über eine neue Unternehmenskultur nachgedacht werden. Darüber, was Menschen in der Firma wirklich brauchen. Sonst hilft auch die Stundenreduktion nicht gegen den Frust. (Karin Bauer, 28.2.2022)