Kiews Bürgermeister und Ex-Boxweltmeister: Witali Klitschko ist bereit, bis zum Äußersten zu gehen.

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21. Juni 2003, Staples-Center, Los Angeles: Witali Klitschko und Lennox Lewis lieferten einander einen der denkwürdigsten Schwergewichts-Fights in der Historie des Boxsports.

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Früher streckte Witali Klitschko seine Gegner gerne mit einer harten linken Geraden nieder. Zuletzt übte der ehemalige Box-Schwergewichtsweltmeister aber nicht im Ring, sondern beim Schießtraining mit einem Maschinengewehr. Der 50-Jährige ist Bürgermeister von Ukraines Hauptstadt Kiew, und er ist fest dazu entschlossen, sein Heimatland mit aller Macht gegen die russische Invasion zu verteidigen. "Ich würde auch zur Waffe greifen. Ich habe keine andere Wahl", sagte er in der britischen Fernsehsendung "Good Morning Britain".

Mit seinen Fäusten hat Klitschko Karriere gemacht, als Boxer fast alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Dreimal war er Weltmeister, seinen legendärsten Fight verlor er aber. Der "Kampf der Titanen" zwischen Klitschko und Lennox Lewis im Jahr 2003 gilt bis heute als einer der spektakulärsten Boxkämpfe der jüngeren Geschichte. Lewis wurde in einer blutigen Auseinandersetzung nach sechs Runden durch technisches K. o. zum Sieger erklärt, weil Klitschko ein tiefes Cut über dem Auge hatte. "Der Ringarzt hatte die Schuld", sagte Klitschko, der nach Punkten zu diesem Zeitpunkt klar voran gelegen war.

Über den Boxring hinaus

1999 war er der erste Champion aus der ehemaligen Sowjetunion. Und er wurde auch der erste Profiboxer mit einem Doktoratstitel, den er im Jahr 2000 vom offiziellen Sportkomitee der Ukraine verliehen bekam. Es zeichnete sich schon damals ab, dass Klitschkos Ziele weit über seine sportliche Karriere hinaus reichten.

Der Sohn eines Sowjetarmee-Offiziers und einer Pädagogin begann schon während seiner Boxkarriere, sich politisch zu engagieren. So unterstützte Klitschko Mitte der Nullerjahre die orange Revolution gegen Ex-Präsident Viktor Janukowitsch. 2010 gründete er die Partei "Ukrainische demokratische Allianz für Reformen" (UDAR), die sich eine Annäherung der Ukraine an die EU zum Ziel gesetzt hatte. Seit 2014 ist der gebürtige Kirgise Bürgermeister von Kiew. Und trug in der Vergangenheit bereits einen Machtkampf mit Präsident Wolodymyr Selenskyj aus, der Klitschko Korruption vorgeworfen und dessen Entlassung als Chef der Kiewer Rathausverwaltung gefordert hatte.

Nun sieht man sich unverhofft geeint einem größeren Feind gegenüber. Klitschko malte schon Wochen vor dem Angriff Russlands ein Horrorszenario an die Wand. "Putin strebt nach der Weltmacht, und der Westen sollte wissen, dass nach der Ukraine die baltischen Staaten dran sein werden. Wir sind nur der Anfang", sagte Klitschko.

"Keine Maulhelden"

Der Deutsche Bernd Bönte, langjähriger Manager des ehemaligen Profiboxers, gibt sich besorgt. "Witali und Wladimir Klitschko werden alles tun, was möglich ist", sagte der 66-Jährige dem amerikanischen Sportmagazin "Sports Illustrated". Weiter wolle er lieber "gar nicht denken. Aber wie jeder weiß, sind die beiden keine Maulhelden."

Mit seinem Bruder Wladimir (45), zweifacher Box-Weltmeister, veröffentlichte Klitschko, der mit dem ehemaligen Model Natalia Egorowa verheiratet ist und drei Kinder hat, einen Aufruf auf Instagram. "Dieser sinnlose Krieg wird keine Sieger hervorbringen, aber Verlierer", sagte Wladimir Klitschko und forderte andere Staaten zum Handeln auf: "Lasst es nicht in der Ukraine passieren, nicht in Europa oder vielleicht der Welt. Zusammen sind wir stark." (Florian Vetter, 25.2.2022)