Marzek beschäftigt in Dnipro 130 Mitarbeiter.

Foto: Marzek

"Wir sind als Familienbetrieb seit 2009 in der Ukraine vertreten. Marzek produziert in Dnipro Etiketten und flexible Verpackungen für Supermarktketten und die Pharmaindustrie. Wir gelten als systemrelevant und haben mit unseren 130 Mitarbeitern bis Mittwoch durchgehend voll gearbeitet. Unser Auftragseingang war heuer sogar besser als im Vorjahr.

Seit Donnerstag steht unser Werk still. Nur wenige Kilometer entfernt befindet sich eine Raketenproduktion, die beschossen wurde. Der Flughafen dürfte zerstört sein. Alle Schulen und die meisten Betriebe sind geschlossen. Tankstellen und Supermärkte haben weiter geöffnet, vor ihnen bilden sich lange Schlangen. Viele Menschen versuchen, die Stadt zu verlassen.

Ich bin mit meinen Mitarbeitern an Ort und Stelle ständig in Kontakt. Es herrscht Chaos, auch wenn es in der Nacht auf Freitag weitgehend ruhig blieb.

Krisenstab

Wir haben bei uns im Unternehmen einen Krisenstab eingerichtet. Die gesamte IT wurde zusätzlich gesichert. Wir haben die Maschinen, so gut es geht, geschützt, alles Brennbare sicher verwahrt. Gegen einen Raketeneinschlag hilft das wenig, im Falle eines Querschlägers oder eines kaputten Dachs sollten wir aber gewappnet sein. Bankkredite vor Ort haben wir nicht.

Am Freitag haben wir einen Rundruf unter unseren Kunden gestartet. In der näheren Umgebung dürfte der Handel weiter laufen, in den Supermärkten sollte Ware für die kommenden zwei Wochen eingelagert sein.

Zum Militär einberufen wurden bisherigen Informationen zufolge nur wenige meiner Mitarbeiter. Man erzählt mir, dass 90 Prozent der Menschen in der Stadt gegen Russland seien, und rechnet mit einem langwierigen Partisanenkrieg. Viele fürchten eine Teilung der Stadt entlang des Flusses Dnepr. Ich hoffe, dass die Hauptmanöver am Wochenende vorbei sind.

Krieg auf kleiner Flamme

Wir erleben hier seit 2014 Krieg auf kleiner Flamme. Bis dahin wuchs unser Geschäft um 80 Prozent. 2013 war der Boom vorbei. Putin boykottierte den Lkw-Verkehr Richtung Russland. Die Invasion der Krim folgte. Die Währung brach auf 30 Prozent ihres Wertes ein.

Ich glaube dennoch an die Ukraine, und meine Mitarbeiter sind dankbar, dass wir geblieben sind und weiter in den Standort investiert haben. Wir haben hier trotz aller Hürden stets Gewinne erzielt. Und ich sehe für unsere Produkte großen Nachholbedarf. Die hiesige Wirtschaft hätte das Potenzial, sich rasch zu erholen. Das Leben hier muss weitergehen. (Verena Kainrath, 26.2.2022)