Bild nicht mehr verfügbar.

Österreich importiert beträchtliche Mengen Raps aus der Ukraine. Gebraucht wird es vor allem für die Dieselproduktion.

Foto: Reuters/Dane Rhys

Wien – Die gute Nachricht: Die Österreicher müssen keinen Versorgungsengpass an Lebensmitteln aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine fürchten. Experten sind sich einig: Der Bedarf an Grundnahrungsmitteln wie Getreide, Fleisch und Milch ist gesichert.

Die schlechte Nachricht: Lebensmittelpreise werden mit hoher Wahrscheinlichkeit international weiter steigen.

Russland ist weltweit der zweitgrößte Weizenexporteur. Die Ukraine rangiert an vierter Stelle. Beide stellen in Summe ein Drittel der weltweiten Ausfuhren an Weizen und sind für knapp ein Fünftel des weltweiten Maishandels verantwortlich.

Andreas Jirkowsky von der Raiffeisen Ware Austria zufolge exportiert die Ukraine Weizen in den arabischen Raum und nach Asien mit Indonesien als größtem Abnehmer. Mais wird vor allem nach China verkauft, gefolgt von der EU mit jährlich sieben Millionen Tonnen. Für Österreich sei der Export ersetzbar.

Angst vor Sanktionen

In der globalen Lebensmittelindustrie hingegen geht die Angst vor Sanktionen gegen die Russen um. Stoppt Russland seine Getreideexporte, da es diese nicht mehr verrechnen kann, sind Verarbeiter gezwungen, sich aus anderen Märkten mit Rohstoffen zu versorgen.

Der Schiffsverkehr in Teilen des Schwarzen Meers wurde bereits eingestellt. An wichtigen Exporthäfen der Ukraine drohen Blockaden.

Die Folge sind steigende Preise. An der Pariser Börse Matif erreichte Weizen mit zwischenzeitlich mehr als 340 Euro für die Tonne dieser Tage ein Allzeithoch. In Chicago wurde der Handel mit Mais und Weizen zeitweise komplett ausgesetzt, da die zulässigen Gewinnlimits gesprengt wurden.

Das Geschäft mit den Ölsaaten

Stark verteuert haben sich auch Ölsaaten. "Die Märkte haben in einer ersten Reaktion eine gewisse Panik an den Tag gelegt", sagt Jirkowsky. Wie sich die Situation weiterentwickelt, hänge von der Dauer des Krieges ab.

Dreh- und Angelpunkt sind Russland und die Ukraine im Geschäft mit Sonnenblumenöl, das Palmöl in Westeuropa verdrängte. 80 Prozent der dafür benötigten Kerne werden in den beiden Ländern angebaut. Fehlen sie, kehrt die Industrie auf umstrittenes Palmöl zurück. Die Kosten dafür explodierten jüngst.

Sonnenblumenkerne und Raps

Österreich hat letztes Jahr Ölfrüchte für 14 Millionen Euro aus der Ukraine importiert. Zum Vergleich: Die Weizenrechnung belief sich auf rund 1,2 Millionen Euro.

Das liegt laut Franz Sinabell, Agrarexperte des Wifo, vor allem an den günstigeren Produktionskosten in der Ukraine. Sollte der Ölfruchtpreis weiter steigen, könnten österreichische Landwirte rasch reagieren und den Ertrag an Sonnenblumenöl innerhalb eines Jahres um 50 Prozent steigern.

Beträchtlich sind auch die Mengen an Raps, die jährlich aus der Ukraine importiert werden. Benötigt wird das Rapsöl vor allem für die Dieselproduktion. Fünf Prozent des Dieselgemischs bestehen daraus.

Was die Abhängigkeit von Raps angeht, sind die Zahlen der Importe aus der Ukraine heuer rückläufig, sagt Jirkowsky, da die Anbauflächen in der EU um rund zehn Prozent im Jahr 2022 gestiegen sind, primär in Deutschland, Frankreich und Rumänien. In Österreich brauche es keine Notfallpläne. "Wir kommen unserer Versorgungsaufgabe nach."

Bäcker haben genügend Getreide

Auch Michael Bruckner, Obmann der Backbranche, erwartet in Österreich angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine vorerst keine steigenden Brotpreise: Bäcker hätten sich ausreichend mit teurem österreichischem Getreide eingedeckt.

Ihre Lieferverträge reichen in der Regel bis zur nächsten Ernte. Zahlreiche Betriebe haben ihre Preise in den vergangenen Monaten erhöht.

Ähnlich sieht das Ferdinand Lembacher, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer. Mühlen verarbeiteten gerade die vergangene Getreideernte. Was die neue Ernte betrifft, ist er zuversichtlich.

Sorge um Saisonarbeiter

Mehr Sorgen bereitet ihm teurer Dünger. Aufgrund gestiegener Gaspreise sei der Preis dafür so hoch wie noch nie. Das Ende der Fahnenstange sei womöglich nicht erreicht.

Zudem fürchten die Bauern, sich zu weniger Saisonarbeitskräfte bedienen zu können. Knapp ein Drittel komme jährlich aus der Ukraine, sagt Lembacher. Der Spargel muss im April gestochen werden, danach gehören Erdbeeren gepflückt.

"Dürfen unsere Erntehelfer nicht ausreisen oder wird der Personenverkehr eingeschränkt, bekommt die Landwirtschaft ein erhebliches Problem." An einer Lösung werde gearbeitet.

Kostspieliger wird auch Futter für Schweine und Geflügel. Offen bleibt für Lembacher, wie sich die aktuellen Entwicklungen längerfristig auf die Kosten für Bauern auswirken. Ihm bleibe so wie dem Rest der Welt nichts anderes übrig, als abzuwarten – "alles andere ist Kaffeesudlesen". (Julia Beirer, Verena Kainrath, 26.2.2022)