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Im Frankfurter EZB-Tower, im Bild mit erleuchtetem Eurosymbol, wird derzeit an einer möglichen Einführung einer digitalen Währung getüftelt.

Foto: Reuters / Kai Pfaffenbach

Seit die Europäische Zentralbank (EZB) im Vorjahr den offiziellen Startschuss für ein Pilotprojekt zur Einführung einer digitalen Variante des Euro gegeben hat, ist es in der Sache zwischenzeitlich ruhig geworden. Wohl auch deshalb, weil die hochgeschnellte Inflation in der Eurozone derzeit die Währungshüter beschäftigt. Neuen Schwung bringt nun ein vom Europaparlament in Auftrag gegebenes Gutachten in die Sache. Der Tenor: Der digitale Euro sollte eingeführt werden, um die Rolle öffentlichen Geldes gegenüber privaten Initiativen sicherzustellen.

Einen Warnschuss dürfte Facebook-Gründer Marc Zuckerberg abgegeben haben, als er 2019 ein eigenes Digitalgeld ankündigte. Die zunächst als Libra, nun als Diem bezeichnete Währung hätte ursprünglich 2021 eingeführt werden sollen. Allerdings stieß sie auf erheblichen Widerstand, einige Partnerunternehmen sprangen ab, sodass es zuletzt ziemlich still geworden ist um das Projekt.

Genau in solchen privaten Vorstößen wie Diem sehen die Gutachter, die beiden Ökonomen Markus Brunnermeier von der Universität Princeton und Jean-Pierre Landau von der Pariser Universität Sciences Po, Gefahren – darin nämlich, dass private Konzerne, womöglich sogar mit Sitz im Ausland, wesentliche Teile des europäischen Geldsystems an sich reißen. Im Extremfall könne dies zu einer Situation führen wie im Mittelalter, als kaum ein Fürstentum zu klein für eine eigene Währung war.

Bedenkliche Möglichkeit

"Dem müssen wir etwas entgegensetzen", sagte EZB-Chefin Christine Lagarde vor knapp zwei Wochen. "Es kann nicht sein, dass mit persönlichen Daten der Nutzerinnen und Nutzer Geld verdient wird." Zudem eröffne die Technologie für private digitale Währungen auch bedenkliche Möglichkeiten, etwa im Bereich der Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche. "Deshalb sollte die Schaffung eines digitalen Euro ein öffentliches Projekt sein", betont die EZB-Chefin.

Um das Geldwesen in der Eurozone vor einer Zersplitterung durch private Initiativen zu bewahren, was die Währungssouveränität der EZB untergraben könnte, empfehlen die Studienautoren die Einführung des digitalen Euro. Das soll heißen: Die geplante digitale Ausgabe der Gemeinschaftswährung kombiniert die Vorteile von elektronischen Zahlungen mit der Sicherheit von Zentralbankgeld und kann so privater Konkurrenz das Wasser abgraben.

Bis es so weit ist, wird aber ohnedies noch viel Wasser die Donau hinabfließen. Bis Herbst 2023 läuft derzeit eine zweijährige Analysephase, deren Ergebnisse die EZB anschließend testen wird. Als ehestmöglicher Zeitpunkt für eine Einführung des E-Euro, wie die digitale Ausgabe der Gemeinschaftswährung auch genannt wird, gilt das Jahr 2026. Frühestens dann werden sich Bürger einen digitalen Euro ähnlich wie Bitcoin auf ihr Smartphone laden können.

Klärungsbedarf

Bis dahin gilt es noch vieles zu klären, darauf weist das Gutachten die Europaparlamentarier hin – etwa was die Abwägung zwischen Datenschutz und Kriminalitätsbekämpfung betrifft: "Der Schutz der Privatsphäre ist zentral für die Akzeptanz und das Vertrauen in eine Währung", betonen die Autoren. Auf der anderen Seite könnten Kriminelle eine zu weitgehende Anonymität ausnutzen. Ein möglicher Lösungsansatz: Man könnte dafür sorgen, dass Transaktionen mit kleinen Beträgen nicht nachverfolgt werden können.

Schwierig ist auch die Beziehung zwischen dem digitalen Euro und dem Bankensektor. Warum? Wird er zum Erfolgsmodell, brauchten Bürger für den Zahlungsverkehr keine Banken mehr. Beträge in Euro könnten in Echtzeit und ohne Kosten transferiert werden – und das in sicherem Notenbankgeld. Der Zahlungsverkehr ist aber eine wichtige Einnahmequelle für den Bankensektor. "Der digitale Euro sollte überall in der Eurozone erfolgreich sein, aber nicht zu erfolgreich", wird Brunnermeier dazu von der Süddeutschen Zeitung zitiert.

Nicht nur die EZB, auch viele andere Notenbanken brüten an digitalen Versionen ihrer Währungen. Am weitesten ist China mit dem digitalen Yuan vorangeprescht – allerdings mangels Privatsphäre wohl eher als abschreckendes Beispiel. In der Eurozone will EZB-Chefin Lagarde aber ohnedies Bargeld – egal mit oder ohne digitalen Euro – als anonyme Alternative bewahren. Die Menschen seien an Bargeld gewöhnt und wollten es nicht aufgeben. Eine Debatte darüber hält Lagarde daher für überflüssig. (Alexander Hahn, 24.2.2022)