Im ersten Jahr der Pandemie ab 16. März 2020 wurde die Kurzarbeit zwölfmal reformiert, zum Teil nachträglich. Das verursachte beim Arbeitsmarktservice massive Mehrarbeit.

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Wien – Bei der Kurzarbeit hat die Regierung ihr Motto "Koste es, was es wolle" allzu wörtlich genommen. Diesen Schluss legt der Bericht des Rechnungshofs (RH) zur Covid-19-Kurzarbeit nahe. Ohne Not habe sich das damals von Christine Aschbacher (ÖVP) geführte Arbeitsministerium der Implementierung notwendiger Kontrollmechanismen begeben. Dadurch habe die Republik allein in der ersten Phase der Pandemie ab 16. März 2020 (bis 31. Mai) "unbeabsichtigt" geschätzt eine halbe Milliarde Euro zu viel an Kurzarbeitsbeihilfen ausbezahlt.

Das auf 116 Seiten ausgebreitete Sündenregister ist umfangreich: Die Arbeitsmarkt- und Förderexperten des Arbeitsmarktservice (AMS) beispielsweise waren in Konzeption und Adaptierung des bereits in der Finanzkrise bewährten Kurzarbeitsmodells nicht eingebunden. Das hatten die Sozialpartner, also Wirtschaftskammer und Gewerkschaft bzw. Arbeiterkammer, bereits erledigt. Deren "Punktation" war dann die Basis, auf der die AMS-Verantwortlichen die notwendige "Bundesrichtlinie Kurzarbeitsbeihilfe" formulierten, die AMS-Verwaltungsrat, Arbeits-, Finanz- und Wirtschaftsministerium drei Tage nach Beginn des ersten Lockdowns beschlossen. Es musste alles schnell gehen, es drohten Massenkündigungen, weil Geschäfte und Fabriken großteils geschlossen waren.

Tausende Jobs gerettet

Der RH würdigte die raschen Entscheidungen, weil dadurch im April rund 650.000 Arbeitsplätze "gerettet" wurden. Messbare Zielgrößen oder Maßstäbe für eine laufende Beurteilung der Effektivität der Kurzarbeit (KUA) lagen allerdings nie vor, merkte der RH kritisch an. Auch die Treffsicherheit wurde nicht überprüft, dadurch wurden Mitnahmeeffekte in Kauf genommen.

Man suchte selbige sogar einzudämmen: Bis Ende März 2021 wurde die KUA-Richtlinie zwölfmal, häufig rückwirkend, angepasst, um "Interpretationsspielraum" zu schließen oder die Berechnungsmethode nachzubessern – dies allerdings mit überschaubarem Erfolg. Denn der Abwicklungsaufwand bei den ohnehin auf Anschlag arbeitenden AMS-Stellen und den Unternehmen stieg, weil Anträge neu gestellt und Aufrollungen der Abrechnungen gemacht werden mussten.

Einfallstore für Missbrauch gab es laut RH mehrere. Anders als bei der KUA vor Corona mussten Betriebe ihre "vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten" nicht mehr mit dem AMS besprechen und gemeinsam KUA-Modelle ausarbeiten. Es genügten eine Bestätigung des Wirtschaftsprüfers und ein Ausblick auf den Umsatz. Die Beihilfen waren höher, denn die KUA war nicht mehr an das (anteilig berechnete) Arbeitslosengeld gekoppelt.

Mindestnetto als Maß

Vor Corona waren die nicht geleisteten Arbeitsstunden (KUA-Ausfallstunden) auf Basis des fiktiven Arbeitslosengelds abgegolten worden, also im Schnitt mit etwa 55 Prozent des Nettoentgelts. Außerdem erhielten Arbeitgeber die weiterhin zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge (SV) erst ab dem fünften KUA-Monat abgegolten. Mit Corona war alles anders, die KUA-Beihilfe orientierte sich am Mindestnettoentgelt der Dienstnehmer und das AMS übernahm die weiterhin zu zahlenden SV-Beiträge auf Basis der Beitragsgrundlage vor der KUA. Der Arbeitgeber hatte also nur noch die geleisteten Stunden zu zahlen. Kontrollen oder operative Prüfungen der Fördervoraussetzungen gab es aufgrund von Überlastung des AMS de facto keine.

Auch waren viel mehr Unternehmen KUA-berechtigt, von Arbeitskräfteüberlassern über Kammern bis zu Seminarhotelbetreibern.

Reform nach einem Jahr

Verlängert wurde die KUA mehrfach, aber erst Anfang Juni 2021 – die Kosten waren bereits horrend – kam es zu einer Reform. Ab Juli 2021 galt – mit Ausnahme von besonders von Covid-19-bedingten Schließungen betroffenen Unternehmen – eine Mindestarbeitszeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von 50 Prozent und ein Selbstbehalt für Unternehmer von 15 Prozent der Fördersumme. Rückwirkende Änderungen der Fördervoraussetzungen seien tunlichst zu vermeiden, empfiehlt der Rechnungshof, denn darunter leide die Rechtssicherheit.

Laut RH war die KUA das mit Abstand teuerste Instrument der Covid-19-Bekämpfung. Die Auswertung des Budgetdienstes des Nationalrats ergab, dass bis Ende 2021 insgesamt 9,19 Milliarden Euro an KUA-Beihilfen ausbezahlt wurden. (Luise Ungerboeck, 26.2.2022)